Befreiungsnationalismus und Antiimperialismus

 

Zur Bedeutung des Kosovo

Anlässlich der jüngsten antiserbischen Pogrome im gegenwärtig von NATO-Truppen besetzten Kosovo erlauben wir uns einen Hinweis auf die elementare spirituelle Bedeutung der Region für die serbische Volksseele. Hier, auf dem Amselfeld (Kosovo Polje), traten am 15. Juni 1389 (nach dem Julianischen Kalender der 28. Juni) die Serben unter ihrem Zaren Lazar einer türkischen Armee unter Sultan Murad I. entgegen, um das christliche Abendland gegen die Expansion des Osmanischen Reiches zu verteidigen. Während Teile des serbischen Adels mit dem Feind kollaborierten, entschied sich Lazar für einen ehrenvollen Untergang auf dem Schlachtfeld. Der Kampf endete mit einer vernichtenden Niederlage der Serben, sie leitete den endgültigen Untergang des Großserbischen Reiches und die türkische Eroberung des Balkans ein. Für Hintergrundinformationen bieten wir diesen Verweis an:

     http://www.nzz.ch/dossiers/kosovo/kos980424ekr.html

 

Der nachstehende Artikel wurde von Bischof Nikolaj Velimirovic in der Ausgabe 6/1939 der Zeitschrift „Misionar“ veröffentlicht:

Kosovo

Kein christliches Volk hat in seiner Geschichte das, was das serbische Volk hat. Kein Volk hat Kosovo. Etwas mehr als sechzig Jahre nach der Schlacht auf dem Amselfeld fiel Konstantinopel, der Sitz des Ostchristentums. Der christliche Kaiser Konstantin, der von der mütterlichen Seite von serbischem Blut und serbischer Herkunft war, wurde enthauptet. Man würde sagen, das ähnelt dem Kosovo. Und auch würde man sagen, ein Ereignis größer als Kosovo. Gott bewahre uns! Auf das Amselfeld marschierte das christliche Heer, um dem Tod zu begegnen; in Konstantinopel stand das Heer innen, in der Stadt, bis zum letzten Augenblick voller Hoffnung, dass der Tod sich von ihm irgendwie abwenden würde. Als die Kugeln aus den ersten Kanonen der Geschichte die Stadtmauern durchbohrten, breitete sich das Entsetzen aus und die Panik gewann die Oberhand im Heer und unter den Bürgern. Alle Tempel waren mit Geschrei und Gebeten an Gott erfüllt, für die Rettung der Stadt, das heißt für die Rettung des Körpers, für die Rettung des Staates und des Erdenreiches. Daher erinnern sich die Griechen an den Fall Konstantinopels wie an Nacht und nicht an Tag, wie an Untergang und nicht an Sieg. Dort kämpfte zwar das Kreuz gegen den Halbmond, aber ohne Epik und Begeisterung für die kommenden Geschlechter. Denn ein Verlust, der nur als Verlust verstanden wird, kann niemanden begeistern, noch kann Golgatha ohne Auferstehung jemanden inspirieren und kräftigen.

Ganz umgekehrt ist es mit dem serbischen Kosovo. Wie der Sterbende in einen neuen und kostbaren Anzug eingekleidet wird, so zog sich das serbische Heer seine beste Kleidung an. Der glänzende und strahlende Zug eilte von allen Enden des Reiches in den Brennpunkt der Ehre und des Ruhmes, auf das Amselfeld. Von kreuzförmigen Fahnen und heiligen Ikonen beschattet, mit Gesang und Jubel, mit Gesang und Musik, mit Gesang und Freude, eilte es zu seiner Amselfelder Hinrichtungsstätte. Erinnert uns das nicht an die Gruppen der ersten Christen, die in solcher Geistesverfassung unter das Schwert, in das Feuer oder vor die wilden Tiere gingen?

Man weiß von keinem christlichen Märtyrer, der zu Gott gebetet hat, vom nahen Tod gerettet zu werden, aber man weiß von Tausenden und Abertausenden, die gebetet haben, dass der Märtyrertod an ihnen nicht vorbeigeht. Auch hat das kreuz tragende Heer Lazars kein Gebet für die Rettung vor dem Tod gehalten. Im Gegenteil - es hat gebeichtet und das Abendmahl genommen - für den Tod. Ein ganzes bewaffnetes Volk, wie ein christlicher Märtyrer, dem Vorsehungswillen des Allsehenden gehorsam, empfängt die Bitterkeit des Todes nicht als Bitterkeit, sondern als leben spendende Arznei. Und hat nicht Kosovo den zwanzig Geschlechtern wahrhaftig als leben spendende Arznei gedient? In der Geschichte der christlichen Völker gibt es keinen bekannten Fall, dass ein ganzes Heer, ein ganzes bewaffnetes Volk mit dem Willen zum Tod getränkt wird und für seinen Glauben in den Tod geht, nicht in einen selbstmörderischen, sondern in einen heldenhaften. Kosovo ist ein Unikum in der zwanzig Jahrhunderte langen Geschichte der christlichen Welt.

Es irren sich diejenigen, die sagen: "Kosovo hat das Rad unserer Geschichte zurückgedreht, es hat uns zurückgesetzt; wenn es Kosovo nicht gegeben hätte, wären wir heute ein großes Volk!“

Gerade Kosovo hat uns zu einem großen Volk gemacht. Es ist das Golgatha unseres Volkes, aber gleichzeitig auch die Auferstehung des Volkes im geistigen und moralischen Sinne. Es hat den moralischen Verfall des serbischen Volkes aufgehalten. Es hat uns eine Galerie der Ritter des Glaubens, der Aufrichtigkeit und Aufopferung gegeben, die ohne Zweifel mehr Wert hat als jede Galerie der Marmorstatuen, die in friedlichen Zeiten von den Völkern, die ihr Kosovo nicht hatten, geschaffen wurde.

Es irren sich auch diejenigen, die Kosovo für eine Niederlage halten. Wenn jemand eine Niederlage erlitten hat, dann war es der große Herr Vuk Brankovic und nicht Fürst Lazar. Der gefallene Lazar hat gesiegt und der am Leben gebliebene Vuk hat verloren. Wer sein Leben in einem Kampf für die Wahrheit und Gerechtigkeit Gottes opfert, der opfert das Größte, was er opfern kann und was er hat, und - er siegt. Ist die Schlacht - technisch gesehen - auch verloren, bleibt er trotzdem der Sieger. Das ganze serbische Heer ist auf Kosovo für die Wahrheit und Gerechtigkeit Gottes gefallen - und das freiwillig. Deswegen hat es gesiegt. Es brachte Gott zum Opfer alles, was es hatte und konnte; daher hat es auch gesiegt. Es hat den Körper verloren und die Seele gerettet. Sogar der Körper Lazars ist nicht verloren gegangen. Die Körper der Verräter sind nach dem Kosovo verloren gegangen, wie auch ihre Seelen auf dem Amselfeld verloren gegangen sind. Weder vom Grabe Vuks noch vom Grabe Altomanovics weiß man heute etwas.

Der heilige Körper Lazars aber, mit der Kraft vom Himmel erfüllt, liegt heute noch unversehrt und heilt jede menschliche Ohnmacht.

Die heiligen Körper anderer Ritter des Kreuzes sind ebenfalls nicht verloren, obwohl sie auf dem Schlachtfeld liegen geblieben sind. Durch ihre heiligen Seelen wurden ihre Körper heilig und durch ihre heiligen Körper wurde der ganze Amselfelder Boden heilig. Daher ist Kosovo zum heiligen Feld geworden. Daher kommen die Serben und Serbinnen von allen Enden dahin - sogar diejenigen aus Amerika - und nehmen von jenem heiligen Amselfeld eine Handvoll oder eine Tasche voller Erde, um sie wie ein Heiligtum in ihren Tempeln und Häusern zu bewahren, ähnlich, wie man Erde vom Grab des Heiligen Demetrios in Thessaloniki oder von den Gräbern anderer christlicher Märtyrer nimmt. Kosovo ist das größte Grab der christlichen Märtyrer, die an einem Tag gestorben sind. Ein anderes, solches und so großes, ist uns nicht bekannt. Und wie die Hausherren den Todestag ihres Heiligen feiern, so feiert und verehrt das ganze serbische Volk Vidovdan. Wer die Feiertage der heiligen Märtyrer feiert, sagen wir, Erzdiakon Stephan, Georg, Demetrios, Theodor, Triphunos oder Heilige Paraskeva und Kyriakis oder die Heiligen Peter und Paulus - der feiert nicht den Besiegten, sondern den Sieger und nicht den Toten, sondern den Lebenden. Auch wir, die wir die große Armee der Märtyrer von Kosovo feiern, feiern keine Besiegten, sondern Sieger, keine Toten, sondern Lebende.

Vidovdan ist der größte Feiertag des serbischen Volkes. Es ist Tag und nicht Nacht, und wahrhaftig - DER TAG. Er erinnert uns an den Sieg und die Auferstehung. Die Saat des Himmlischen Reiches, die durch den Heiligen Sava gesät wurde, ist gut gediehen und groß gewachsen.
Reiche Früchte dieser Saat wurden auf dem Amselfeld gepflückt. Das ist nicht die einzige Ernte Christi und Savas in unserer Vergangenheit, sie ist aber sehr glänzend und einzigartig.

Diejenigen, die beim Erwähnen von Kosovo ihr Gesicht verzerren, die es verachten, verurteilen, hassen oder für Unglück und Untergang halten, betrachten Kosovo mit den Augen und nicht mit dem Geist und beurteilen technisch und nicht moralisch. Solche sind entweder keine echten Serben oder stehen noch unter dem Fluch des ehrbaren Fürsten, weil ihre Vorfahren nicht zur Schlacht auf dem Amselfeld gekommen sind, oder, wenn sie gekommen sind, im Lager des Großherren Vuk unter dem Berg Goles waren. Und der Fluch lautet: "Aus ihm soll Rost tropfen, solange es seine Nachfahren gibt!"

Und die echten Serben - was im Amselfelder Sinne bedeutet: echte Christen - sollen dem Herrgott danken, dass Er ihnen Kosovo gegeben hat, Stolz und Trost und die unversiegbare Quelle der erhabensten Begeisterung, Reinigungsbad des Gewissens aller Geschlechter bis zum Ende der Zeit.

Sie sollen an diesem heiligen Tag, dem Vidovdan, ihre Mützen abnehmen und sich auf dem heiligen Amselfelder Boden vor den heiligen Seelen ihrer kreuz tragenden Urväter verbeugen. Und dann, im Einklang mit dem ganzen Volk, das der beste Dolmetscher von Kosovo ist, aus der Tiefe ihrer Herzen und ihres Gewissens, sollen sie ausrufen:

Alles war heilig und ehrbar
und dem lieben Gott angenehm!

 

Zur Startseite!