Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 7. bis 13. Oktober 2000

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Anmerkungen zum 9. November

Wieder Kämpfe in Kolumbien

Irak durchbricht Isolation

ETA erschießt spanischen Staatsanwalt

Friedensnobelpreis an Kim Dae Jung

Tauziehen in Jugoslawien

UN-Sicherheitsrat verurteilt Israel

Jugoslawische Minderheitenfragen

Krise in Nahost eskaliert

Serbische Paramilitärs unterstützten Kostunica

Die Zionisten von Hebron

Desolate Wirtschaftslage in Jugoslawien

US-Zerstörer bei Anschlag beschädigt

Präsidentschaftswahlen in Polen

Palästinenser-Proteste auch in der BRD

Vlaams Blok gewinnt belgische Kommunalwahlen

Nordirische Polizeireform weiter umstritten

Nordkorea nähert sich dem Westen

Bombendrohung in Ascot

PDS und SPD

Trimble setzt sich gegen Hardliner durch

China stellt Raumfahrtprogramm vor

BBC nennt Omagh-Verdächtige

Demo gegen NPD-Zentrale in Berlin

Parlamentswahlen in Litauen

Stoiber, die CSU und der Extremismus

SPD-Politiker in Spendenaffäre verwickelt?

APPD-Kreise zur Sommerlochkampagne

 

Zitat der Woche:
"Europa braucht Ihre Begeisterungsfähigkeit. Europa braucht Ihr Engagement und die Kraft, mit der Sie sich ausdrücken. Europa braucht Ihre Revolten."
- Lionel Jospin

 

Zur den betreffs Fischers Vorschlag, den Tag der Deutschen Einheit auf den 9. November zu verlegen, angestellten Überlegungen erreichten uns kritische Worte. Stein des Anstoßes war die Bemerkung, beim Ludendorff-Hitler-Putsch am 9. November 1923 sei der nationalistische Idealismus der Basis von einer bourgeoisen Führung bedenkenlos ihrer eigenen Hybris geopfert worden. Zur Bekräftigung unserer These: Man kann wohl kaum im Namen des Nationalen Sozialismus putschen, wenn man wie ein gewisser Herr aus Braunau/Inn seit Mitte 1922 durch die Lande reist und gegenüber bürgerlichen Honoratioren geradezu penetrant betont, eigentlich wolle die NSDAP ja gar keine Arbeiterpartei sein. Über die schon früh festzustellenden probourgeoisen Tendenzen der Münchener Kamarilla sei die Lektüre folgender Werke empfohlen: Heinz Höhne: Die Machtergreifung. Deutschlands Weg in die Hitler-Diktatur, Hamburg (2. Auflage) 1983; Wolfgang Horn: Führerideologie und Parteiorganisation in der NSDAP, Düsseldorf 1972; Werner Maser: Der Sturm auf die Republik. Frühgeschichte der NSDAP, Stuttgart 1973; und nicht zuletzt Patrick Moreau: Nationalsozialismus von links, Stuttgart 1984. Als aufschlußreich dürfte sich auch ein Blick in die Goebbels-Tagebücher erweisen.

 

Erstmals seit 10 Jahren besuchte ein iranischer Außenminister wieder den früheren Kriegsgegner Irak. Kamal Charrasi wurde am Freitag in Bagdad von seinem irakischen Amtskollegen Mohammed el Sahhaf empfangen. Damit haben beide Länder ihren Kurs der vorsichtigen Wiederannäherung fortgesetzt. Bereits vor wenigen Wochen hatten sich Irans Präsident Mohammed Chatami und der irakische Vize- Präsident Taha Jassin Ramadan getroffen. Nach 18 Jahren feindlicher Beziehungen ist erstmals wieder ein syrisches Flugzeug mit Hilfsgütern in der irakischen Hauptstadt Bagdad gelandet. Auch Jordanien, Marokko, Ägypten, Tunesien, Jemen und die Vereinigten Arabischen Emirate haben mit Flügen gegen die Sanktionen protestiert, ebenso die Türkei.

 

Der südkoranische Präsident Kim Dae Jung ist am Freitag mit dem diesjährigen Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Das norwegische Nobelkomitee begründete in Oslo die Vergabe an den 74jährigen mit dessen Arbeit für Demokratie und Menschenrechte in Südkorea und in Ostasien insgesamt. Vor allem aber werde Kim wegen seiner Arbeit für Frieden und Versöhnung mit Nordkorea geehrt. Der unschuldige Koreaner muß sich von Gunnar Berge, dem Vorsitzenden des Nobelpreiskomitees, auch noch den Vergleich mit Willy Brandt gefallen lassen. Wie im Falle von Gerry Adams in Nordirland wird der persönliche Anteil des nordkoreanischen "Geliebten Führers" Kim Jong Il unter den Teppich gekehrt.  

 

Nach mehrtägigen Diskussionen mit dem prozionistischen Vertreter der USA konnte der UN-Sicherheitsrat bei Enthaltung Washingtons mit 14 Stimmen die Resolution 1322 gegen die "exzessive Gewaltanwendung" Israels gegen die aufbegehrenden Palästinenser verabschieden. Israel wurde insbesondere an seine aus der Vierten Genfer Konvention resultierende Verpflichtung erinnert, die Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete im Gazastreifen, in Ostjerusalem und auf der Westbank möglichst zu schützen. Die Provokation durch den Besuch des Kriegstreibers Scharon an einer der heiligsten Stätten des Islam wurde verurteilt. Ferner forderte der Sicherheitsrat eine Untersuchung der israelischen Massaker. Der russische Außenminister Iwanow sagte nach Gesprächen mit Syriens Staatschef Assad und Außenminister Faruk el-Schara an die Adresse Israels: "Zunächst einmal muss die Gewalt gegen das palästinensische Volk aufhören. Es darf nicht sein, dass unschuldige Frauen und Kinder getötet werden." Unter dem Eindruck massiver Drohungen aus Israel verhängte Palästinenserpräsident Arafat den Ausnahmezustand; Polizei und Geheimpolizei der Autonomiebehörde wurden in Alarmbereitschaft versetzt.

 

Die Palästinenserorganisation Fatah proklamierte ohne Befragung Arafats den Volkskrieg gegen die jüdischen Besatzer. Derweil machten in den Palästinensergebieten und in Israel selbst jüdische Faschisten Jagd auf arabische Mitbürger, wobei Häuser und Geschäfte geplündert und in Brand gesetzt wurden. Im Grenzgebiet zum Libanon entführte die Hizbollah drei israelische Soldaten, um die in Israel inhaftierten Aktivisten von Hizbollah, Hamas und Islamischem Heiligen Krieg freizupressen. Mit der Entführung setzten Kämpfe zwischen der schiitischen Hizbollah und israelischen Streitkräften ein. Wenige Tage später blamierte die Hizbollah den israelischen Nachrichtendienst, indem sie einen für den Mossad arbeitenden Oberst der Reserve aus der Schweiz in den Nahen Osten entführte. Nach einer Beruhigung zur Wochenmitte eskalierte die Lage, als die aufgebrachte Menge in Ramallah zwei israelische Soldaten lynchte. Tel Aviv erklärte die Opfer zu harmlosen Reservisten, doch möglicherweise handelte es sich um Angehörige einer Exekutionseinheit des Armeenachrichtendienstes. Israel antwortete mit massiven Raketenangriffen auf die Palästinensergebiete, woraufhin die Autonomiebehörde alle als Terroristen inhaftierten Aktivisten der Hamas und des Islamischen Heiligen Krieges auf freien Fuß setzte. Die Türkei warnte Israel vor einer weiteren Destabilisierung des Nahen Ostens, aus dem Irak wurden Truppenbewegungen in Richtung der jordanischen Grenze gemeldet. Saddam Hussein propagierte offen den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Israel und die Unterstützung der Palästinenser mit Freiwilligen, Geld und Waffen. Die arabischen Staaten forderten die UNO-Menschenrechtskommission in Genf auf, eine Resolution gegen das israelische Vorgehen zu verabschieden. Zuvor hatten die USA erklärt, sie würden im UN-Sicherheitsrat jede weitere antiisraelische Resolution blockieren. Ferner drängt die arabische Welt nach einer Sondersitzung der UN-Vollversammlung. In der ägyptischen Hauptstadt Kairo riefen etwa 10.000 Demonstranten vor der El-Ashar-Moschee nach dem Freitagsgebet zum Krieg gegen Israel auf. Im moslemischen Indonesien protestierten Tausende Menschen gegen Israel, indem sie auf den Straßen israelische Flaggen in Ziegenblut tauchten und andere verbrannten. Pakistan und Malaysia verurteilten Israels Angriffe und forderten eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche.  In Frankreich setzte eine Welle von Anschlägen auf Synagogen und jüdische Einrichtungen ein. Bei den Zusammenstößen in den Palästinensergebieten zeigte sich, daß Arafat sich nur noch bedingt auf seine bewaffneten Kräfte und vor allem kaum noch auf die Fatah-Jugend verlassen kann. Gerade die jungen Palästinenser neigen nach jahrelanger Verschleppung des Friedensabkommens durch Tel Aviv zu radikalen Lösungen. Die seit eineinhalb Wochen anhaltenden Unruhen forderten auf arabischer Seite mittlerweile mindestens 95 Todesopfer und über 3000 Verletzte. Von israelischen Sicherheitskräften wurden 400 Palästinenser und 200 jüdische Faschisten inhaftiert.

 

Von den bis zu 1,5 Millionen Palästinensern der Westbank haben 200.000 die zweifelhafte Ehre, in Israel für zumeist jüdische Arbeitgeber arbeiten zu dürfen. Ein Paradebeispiel für die trotz massiver Verletzungen des Völkerrechts durch Israel von der "westlichen Wertegemeinschaft" geduldeten Zustände ist Hebron. In dieser Stadt werden 120.000 Palästinenser von sage und schreibe 450 Juden aus den USA tyrannisiert, die sich inmitten der arabischen Stadt eingenistet haben. Bisher haben die Zuwanderer es nicht einmal für nötig gehalten, Hebräisch zu lernen. Die zionistischen Wehrbauern werden rund um die Uhr von 2000 israelischen Soldaten, 180 internationalen Beobachtern, Elektrozäunen und Videokameras geschützt. Die Kosten für den israelischen Staat liegen bei 6 Millionen DM im Jahr. Um etwaigen Verallgemeinerungen vorzubeugen, sei erwähnt, daß sich die Anhänger des zionistischen Faschismus zumeist aus den Reihen der aus Osteuropa und den USA zugewanderten orthodoxen Juden rekrutieren. Diese wiederum sind aus religiösen Gründen vom Wehrdienst etc. befreit, so daß die liberale und friedenswillige Bevölkerungsmehrheit die Lasten des von ihnen erst provozierten Konfliktes um die besetzten Gebiete alleine zu tragen hat.

 

Im jemenitischen Hafen Aden wurde der amerikanische Raketenzerstörer COLE von einem mit Sprengstoff beladenen Hafenschlepper gerammt und schwer beschädigt. Das arabische Selbstmordkommando ging in militärischer Haltung in den Tod. Es verursachte ein 6x12 m großes Leck im Schiffsrumpf und tötete 17 US-Soldaten. Am Folgetag schleuderten Unbekannte einen Sprengsatz in den Hof der britischen Botschaft in Aden. Zu beiden Anschlägen bekannte sich die bislang unbekannte Gruppe Islamische Abschreckungskräfte.

 

In der BRD kam es vielerorts zu Protestkundgebungen der islamischen Bevölkerungsgruppe gegen die israelischen Gewaltttaten. Nachdem die aufgebrachte Menge die nicht mehr genutzte Synagoge in Essen mit Steinen und Feuerwerkskörpern bedachte (Sachschaden 100.000 DM), wurden 110 Verdächtige wegen Verdachtes auf schweren Landfriedensbruch festgenommen. Gegen 3 Demonstranten wurde Haftbefehl erlassen. Auch in Berlin kam es zu Rangeleien zwischen den zumeist palästinensischen Demonstranten und der Polizei. In Münster wurden fünf Palästinenser festgenommen, weil sie antizionistische Parolen vor der Synagoge skandierten. Augenscheinlich gilt hierzulande schon die Kritik am zionistischen Apartheitsregime als Volksverhetzung. Kundgebungen in Frankfurt/Main, Bonn, Hamburg, Lippstadt und Herford verliefen weitgehend friedlich.

 

In Nordirland kursieren Gerüchte, daß die IRA eine zweite Inspektion ihrer Waffenlager zulassen könnte oder bereits zugelassen hat. Der Army Council soll sich letzte Woche getroffen haben, um die Frage der Inspektionen zu besprechen. Möglicherweise versucht man in den Kreisen der gemäßigten Republikaner, dem nordirischen Regierungschef David Trimble den Rücken gegen unionistische Hardliner zu stärken. Sinn Féin warnte jedoch, die IRA könne jegliche Verhandlungen beenden, wenn die Polizeireform und das Karfreitagsabkommen nicht vollständig umgesetzt werden. Vorstandsmitglied McLaughlin signalisierte den republikanischen Paramilitärs unterdessen, in einer reformierten Polizeitruppe könnte auch für sie ein Platz sein. In der Polizeifrage nimmt selbst die gemäßigt nationalistische SDLP, die mit Seamus Mallon den Vizeregierungschef in Belfast stellt, eine harte Position ein. Derzeit sind vor allem Name, Abzeichen und Fahne der geplanten neuen Polizei Nordirlands umstritten. Die Unionisten kritisieren vor allem den durch die Einfügung der irischen Harfe in das Abzeichen symbolisierten Hinweis auf die staatliche Einheit Irlands, ferner wollen sie den Namen Royal Ulster Constabulary beibehalten - und dieser steht für die Masse der Katholiken für Unterdrückung, Folter und Mord. In protestantischen Kreisen weigert man sich, auch nur eine Katholikenquote von 30 % bei der Polizei einzuführen, ferner lehnen sie die geplanten Distriktkontrollbehörden ab, an denen sich auf katholische Parteien beteiligen sollen. Unbehagen bereitet auch die Verpflichtung der Offiziere, ihre Mitgliedschaft im freimaurerisch-reaktionären Orange Order anzugeben.  Kein Geringerer als Senator Edward Kennedy hatte der britischen Regierung bereits vorgeworfen, im Falle der Polizeireform versagt und den Unionisten zuviele Zugeständnisse gemacht zu haben. Die Labour-Mehrheit im Unterhaus soll den Reformplan des ehemaligen Gouverneurs von Hongkong, Chris Patten, verwässert haben. Hiermit schloß Kennedy sich einer Erklärung von Vizepräsident Al Gore und dem Repräsentantenhaus an.

 

Das berühmte Pferderennen von Ascot mußte nach einer Bombendrohung republikanischer Extremisten abgebrochen werden. Vor dem Waffenstillstand von 1997 bediente sich die IRA dieser subtilen Methode, um mit relativ geringem Aufwand beim Pferderennen von Aintree ein Chaos auszulösen. Bereits am 27. Dezember ließ die Real IRA das Rennen von Kempton mit einer Bombendrohung im Gegenwert von 20 Pence platzen.          

  

Auf der Jahreskonferenz der Ulster Unionist Party konnte Parteichef und First Minister David Trimble den Antrag der Hardliner verhindern, auf der Stelle aus der nordirischen Regierung auszuscheiden. Trimble drohte jedoch damit, die Mitarbeit im nordirisch-irischen Ministerrat einzustellen, wenn die IRA nicht weitere Inspektionen zuläßt. Jeffrey Donaldson als Führer der Hardliner konnte rund ein Drittel der Delegierten hinter sich bringen, und wohl noch vor Ende Oktober wird auf sein Betreiben der Ulster Unionist Council, das "Politbüro" der UUP, zusammentreten. Im nordirischen Regionalparlament scheiterte ein von Paisleys Democratic Unionist Party eingebrachtes Mißtrauensvotum gegen Trimble erwartungsgemäß mit 26 gegen 52 Stimmen. Auch im britischen Oberhaus braut sich Widerstand gegen die Police (NI) Bill zusammen.

 

Am Montag sendete die BBC ihre heftig umstrittene Dokumentation über den verheerenden Bombenanschlag der Real IRA inOmagh, bei dem 1998 29 Menschen ums Leben kamen. Der britische Fernsehsender nannte die Namen von vier mutmaßlichen Verdächtigen und pfuschte damit gehörig in die Arbeit von Polizei, Justiz und Geheimdiensten hinein. Angehörige von Opfern, David Trimble, Irlands Ministerpräsident Bertie Ahern und der nordirische Menschenrechtsbeauftragte Dickson kritisierten die Sendung als "Medienjustiz", und auch die nicht gerade proirischer Sympathien verdächtigen Konservativen bezeichneten den Schritt als unverantwortlich. Die protestantische Terrororganisation Ulster Defence Association UDA drohte bereits die Exekution der Verdächtigen an.

 

Bei den litauischen Parlamentswahlen wurden die oppositionellen Sozialdemokraten mit 31 % und 51 Mandaten zur stärksten Partei. Ihr Parteichef, der ehemalige litauische KP-Chef und ex-Ministerpräsident Algirdas Brazauskas, erlebte ein glanzvolles Comeback. Es folgen die linksgerichtete Neue Union mit 19 % und 29 Sitzen sowie die Liberalen mit 17 % und die Bauernpartei mit 8 %. Auf die regierende konservative Vaterlandsunion entfielen ebenfalls nur 8 % - Ministerpräsident Kubilius wurde für die wirtschaftlichen Probleme abgestraft. Die Arbeitslosenquote liegt bei 11,8 %, und das Durchschnittseinkommen beträgt umgerechnet 400 DM im Monat. An der Regierungsbildung werden die Sozialdemokraten allerdings nicht beteiligt; Litauen wird eine Mittelregierung erhalten.

 

Hans-Joachim Klenk, ehemals Chef der Rechtsabteilung der Thyssen Industrie AG, sagte vor dem Spenden-Untersuchungsausschuß des Bundestages aus. Klenk erklärte, Schmiergeldzahlungen auch an inländische Politiker hätten bei Thyssen seinerzeit zu den gängigen Methoden gehört. Das gilt ausdrücklich auch für Inlandsgeschäfte. Klenk brachte mit Helmut Wieczorek erstmals einen SPD-Politiker mit der Korruptionsaffäre in Verbindung. Der Bundestagsabgeordnete Wieczorek ist derzeit Vorsitzender des Verteidigungsausschusses und gehört wohl nicht zufälligerweise der Atlantik-Brücke an, also der diskreten Loge, über welche alle in der Spendenaffäre aufgeflogenen krummen Geschäfte abgewickelt wurden. Weitere Logenmitglieder sind übrigens Altkanzler Helmut Schmidt oder Karsten Voigt (SPD), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses.

 

In Kolumbien vereinbarten die Regierung und die Guerrillagruppen ELN und FARC neue Verhandlungen im costaricanischen San José. Hinzugezogen werden sollen auch die Kirchen und Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen, wogegen die rechtsgerichteten Paramilitärs ausgeschlossen bleiben. Diese hatten kurz zuvor bei Massakern im Südwesten Kolumbiens 9 Bauern ermordet. In der Provinz Putumayo kam es zu heftigen Gefechten zwischen Paramilitärs und linken Guerrilleros, bei denen mindestens 50 Menschen getötet wurden. FARC-Kämpfer überfielen im Westen des Landes ein der Kollaboration mit den Regierungstruppen verdächtiges Dorf und ermordeten 8 Personen.  Bei Bombenanschlägen der ELN in La Tebaida und Calí gab es 3 Tote und 10 Verletzte. Die seit bald zwei Jahren laufenden Friedensverhandlungen zwischen FARC und Regierung haben noch nicht zu greifbaren Ergebnissen geführt. Mit der ELN fanden bisher nur Sondierungsgespräche statt. Nachdem die amerikanische Regierung Kolumbien Ende August 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe zugesagt hatte, kam der Friedensprozess vollends ins Stocken. Im kolumbianischen Bürgerkrieg sind seit 1964 etwa 120 000 Menschen getötet worden. Mehr als zwei Millionen Menschen flüchteten aus den Kampfgebieten.

 

In Granada liquidierte das ETA-Kommando Andalusien Luís Portero, den Leitenden Staatsanwalt am Obersten Gerichtshof der Region. Nach dem Mord zündeten die baskischen Widerstandskämpfer eine Autobombe, wobei mehrere Menschen verletzt wurden. Im Vorfeld des Mordanschlages wurden mehrere Autobomben in den Fahrzeugen von Offizieren der Armee entdeckt. In der spanischen Öffentlichkeit regt sich mittlerweile Kritik an den mangelnden Fahndungserfolgen gegenüber den ETA-Aktivisten.

 

In Belgrad wurde Vojislav Kostunica als neuer jugoslawischer Präsident vereidigt und pochte sogleich auf die territoriale Integrität seines Staates. Als erste Amtshandlung ordnete Kostunica die Aufhebung der Wirtschaftsblockade gegen das prowestliche Montenegro an. Umgehend begann das Gerangel um die Postenverteilung in der jugoslawischen Bundesregierung, um die Bildung einer Übergangsregierung in Serbien und vorgezogene Neuwahlen daselbst. Die eigentliche Macht in Jugoslawien liegt bei den Regionalregierungen im auf Abspaltung bedachten Montenegro und im weiterhin von Milosevics Sozialisten kontrollierten Serbien. Hier hat sich der stetig schwankende serbische Vizepremier Seselj mit seiner ultranationalistischen Radikalen Partei SRS wieder auf die Seite der Sozialisten geschlagen. Ein Unsicherheitsfaktor ist der weiterhin auf freiem Fuße befindliche Slobodan Milosevic, der den Kampf um die Macht nicht so schnell aufgeben dürfte. Mit dem Gratulationstelegramm des chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin an Kostunica hat Milosevic jedoch nach dem russischen Präsidenten Putin seinen letzten internationalen Verbündeten verloren.

 

Die Staatspräsidenten Ungarns, Rumäniens und Bulgariens begrüßten die Machtergreifung Kostunicas begeistert und sprachen sich für eine Normalisierung der Beziehungen zu Belgrad aus. Priorität bei einer Neuregelung der Kontakte haben die Minderheitenfragen. Ungarns Staatspräsident Ferenc Madl lud Kostunica bereits nach Budapest ein und hoffte, der seit Jahren auf der ungarischen Bevölkerung in der Vojvodina lastende serbische Druck werde ein Ende finden. Viorel Badea als Staatssekretär im Regierungsamt für Auslandsrumänen forderte kulturelle Autonomierechte für die rumänische Minderheit ein. In der nordserbischen Vojvodina leben 350.000 Ungarn, in Nordosterbien 80.000 Rumänen und in Südostserbien 50.000 Bulgaren. Die politischen Führer der Minderheiten haben im Oppositionsbündnis DOS mitgearbeiten und hoffen auf mehr Minderheitenrechte in den Bereichen Bildung, Kultur und Verwaltung.

 

Ein weiteres Indiz für einen geplanten Umsturz durch Kostunicas Koalition stellt die massive Unterstützung der "Volkserhebung" durch die kampferprobten Paramilitärs des Kapetan Dragan dar. Dragans Männer stürmten den Fernsehsender Studio B und leisteten einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Revolte. Die Paramilitärs wären auch bereit gewesen, schlagartig sämtliche Belgrader Polizeistationen auszuheben. Ferner sicherten Milizionäre das besetzte Staatsfernsehen gegen einen befürchteten Gegenangriff der Milosevic-Anhänger. Dragan höchstpersönlich inhaftierte Mihaly Kertes, den ehemaligen Geheimdienstchef und nunmehrigen Leiter der Zollbehörde. An Sicherheitsaktionen beteiligten sich auch Angehörige der Tiger-Miliz des im Januar ermordeten Zeljko "Arkan" Raznjatovic. Im Gegensatz zu den Dragan-Milizionären werden jedoch viele von ihnen wegen Kriegsverbrechen in Bosnien gesucht. Das militärische Netzwerk des Umsturzes knüpfte der ehemalige Generalstabschef Momcilo Perisic, der im Extremfall einen Bürgerkrieg in Kauf genommen hätte.

 

Kostunica hat die Führung eines wirtschaftlich darniederliegenden Landes übernommen. Aus der EU und den USA dürften mehrere Milliarden Euro als Soforthilfe vonnöten sein, um den infrastrukturellen Kollaps im Winter zu verhindern. Belgrad wird kaum um eine Währungsreform und um eine grundlegende Reform des Bankensystems herumkommen. Seit 1996 gibt es keine zuverlässigen Zahlen mehr über die wirtschaftliche Lage, und schon damals lag die Industrieproduktion 40 % unter derjenigen von 1989. Beinahe 60 % der jugoslawischen Wirtschaft befinden sich in den Händen des Milosevic-Clans. Alleine der gestürzte Staatspräsident soll über bis zu 12 Milliarden US-Dollar auf ausländischen Nummernkonten verfügen. Alleine durch die Terrorangriffe der NATO während des Kosovo-Krieges entstanden Schäden in Höhe von 30 Milliarden Dollar. In Serbien liegt die Arbeitslosigkeit bei 30-50 %, und das Pro-Kopf-Einkommen ist innerhalb der letzten 12 Monate von 2941 auf 950 Dollar gesunken. Infolge des internationalen Finanzboykotts wurden Staatsausgaben über die Notenbank finanziert - die Inflation liegt bei mehr als 50 %. Die Aufhebung der wirtschaftlichen Sanktionen durch die EU und die USA wird nur den Anfang eines jahrzehntelangen Wiederaufbauprozesses darstellen. Pluspunkte Jugoslawiens sind marktwirtschaftliche Erfahrungen, das hohe Ausbildungsniveau der serbischen Bevölkerung und die für Investoren interessante petrochemische Industrie.

 

Bei den polnischen Präsidentschaftswahlen setzte sich Amtsinhaber Aleksander Kwasniewski von den Sozialdemokraten mit 53,9 % der Stimmen durch. Marian Krzaklewski als Vorsitzender der konservativen Regierungspartei Wahlaktion Solidarität scheiterte kläglich mit 15,6 % und wurde noch vom parteilosen Andrzej Olechowski mit 17,3 % überflügelt. Rund 16 % der konservativen Anhängerschaft und gar 25 % der Liberalen gaben Kwasniewski ihre Stimme. Die Wählerschaft strafte die konservative Regierung für die schmerzhaften Folgen der Wirtschaftsreformen ab - mit der für den EU-Beitritt erforderlichen rücksichtslosen Rationalisierung der Landwirtschaft hat Warschau noch nicht einmal begonnen. Friedensnobelpreisträger Lech Walesa blieb mit 0,9 % der Stimmen bedeutungslos.

 

Die belgischen Kommunalwahlen endeten mit einem Triumph das Vlaams Blok. In ihrer Hochburg Antwerpen steigerte die Partei sich um 5 auf 33 % und ist damit die bei weitem stärkste politische Kraft. In Gent legte der VB um 10 auf 20,2 % zu, in Mechelen um 6 auf 25,6 %. Auf ganz Flandern bezogen, hat sich der Vlaams Blok als drittstärkste Partei etabliert. Filip Dewinter, Parteichef des VB in Antwerpen, forderte die Regionalregierung um Guy Verhofstadt zum Rücktritt auf, um den flämischen Nationalisten eine Chance zu geben. In echt demokratischer Manier haben alle anderen politischen Parteien Flanderns vereinbart, nicht mit dem VB zusammenzuarbeiten, um ihre bröckelnde Herrschaft weiterhin aufrechtzuerhalten. Im wallonischen Landesteil brachten die Kommunalwahlen indessen eine erneute Niederlage der Rechten. Die frankophonen Parteien Belgiens haben bereits den Vorschlag ins Spiel gebracht, bei den nächsten Kommunalwahlen allen legal in Belgien lebenden Ausländern das Stimmrecht zu verleihen, "um den Flamen zu helfen".

 

Die japanische Regierung wird der hungernden Bevölkerung Nordkoreas mit 500.000 t Reis unter die Arme greifen. Diese Menge liegt um 200.000 t über dem vom Welternährungsprogramm WFP veranschlagten Bedarf bis Ende Januar. Tokio verknüpft mit den Hilfslieferungen die Hoffnung auf eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen. Mit Cho Myong Nok, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Verteidigungskommission, besuchte erstmals ein hochrangiger nordkoreanischer Regierungsvertreter die USA. US-Außenministerin Albright wird in Kürze Pjöngjang einen Gegenbesuch abstatten.

 

Im SPIEGEL konstatierte Lothar Bisky, das unnatürliche Schweigen zwischen SPD und PDS auf Bundesebene sei mittlerweile beendet. Kanzler Schröder bemüht sich derzeit um bessere Beziehungen zwischen beiden Parteien, um in den neuen Bundesländern die Koalitionsmöglichkeiten der SPD zu erweitern und diejenigen der Union zu beschneiden. PDS-Bundesgeschäftsführer Bartsch träumt bereits von rosa-roten Koalition in Sachsen und Thüringen, die von einem sozialistischen Ministerpräsidenten geführt werden. Nicht auszuschließen sei ferner, daß die Bundesregierung daran interessiert ist, die ungeliebte Große Koalition mit der CDU nicht nur in Berlin, sondern auch in Brandenburg mit Hilfe der PDS auszuhebeln. Bei den ostdeutschen SPD-Landesverbänden und Teilen des Bundesvorstandes stößt die Annäherung an die ungeliebte Konkurrenz allerdings auf Widerstand, und Generalsekretär Müntefering erteilte einer Koalition auf Bundesebene eine klare Absage.  In Friedrichshain-Kreuzberg wird nun die PDS-Politikerin Bärbel Grygier Bürgermeisterin einer Linkskoalition aus SPD, PDS und Grünen. Der eigentlich eingeplante Dieter Hildebrandt (PDS) zog seine Kandidatur zurück, da gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue, Bestechlichkeit und Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Bau einer Sportanlage eingeleitet wurde.

 

Die Volksrepublik China beabsichtigt, bis zum Jahr 2002 ein bemanntes Raumschiff ins All zu entsenden und in der Folgezeit ein die Erde umkreisendes bemanntes Weltraumlabor nach russischem oder amerikanischem Vorbild einrichten. Bereits im November 1999 absolvierte die SHENZHOU den ersten unbemannten Raumflug in der Geschichte Chinas. Neben der bemannten Raumfahrt soll auch die Entwicklung moderner Satelliten vorangetrieben werden. Shanghai ist als Zentrum der chinesischen Raumfahrtforschung vorgesehen.

 

An der von mehr als 200 Organisationen und Gruppen getragenen Demonstration gegen die NPD-Parteizentrale in Berlin nahmen zwischen 4000 und 10.000 Personen teil. Als Randalierer sich am Sturm auf die sicherlich nicht zufällig am Weg des Zuges liegende Abschiebehaftanstalt in Köpenick versuchten, kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Nach Polizeiangaben wurden 38 Demonstranten vorläufig festgenommen, gegen 40 Personen erging Strafanzeige, ferner wurden 21 Polizeibeamte verletzt. Christian Ströbele, Bundestagsabgeordneter der Grünen, kritisierte seine eigene Partei für die mangelnde Unterstützung "antifaschistischer Aktionen" zwecks "Rückeroberung öffentlicher Räume". Eine solche fand in Stuttgart statt: Etwa 150 Linksextremisten attackierten ein Konzert des revanchistischen Bänkelsängers Frank Rennicke, wobei nebst einem Straßenbahnwaggon mehrere Scheiben des Veranstaltungsortes zu Bruch gingen. Die Sicherheitskräfte nahmen 5 Demonstranten vorläufig fest.

 

In der NPD-Verbotsdiskussion versucht sich Bayerns Ministerpräsident Stoiber in einem sehr gewagten Spagat. Stoiber eröffnete der "Welt am Sonntag", ausgerechnet die klerikal-faschistische CSU habe schon immer jede Art des Extremismus mit aller Härte bekämpft. "Deshalb ist es nur konsequent, daß wir ein Verbot der NPD fordern." Zugleich warf er Politikern von SPD und Grünen vor, in der Diskussion um Rechtsextremismus auch solche Positionen als "rechts" abzustempeln, hinter denen eine Mehrheit der Bürger stehe. Wenn diese Mehrheit hinter Stoibers Äußerung von einer durchrassten Gesellschaft steht, ist also nicht etwa der Rassismus mit allen seinen Konsequenzen verwerflich, sondern einzig und allein die Gefährdung der FDG-Null. Die Anhänger sozialdarwinistischer Straßengewalt werden sich freuen. Wir erinnern hier ferner nur an gewisse Vorfälle im CSU-Kreisverband Nürnberg, wo vor nicht allzu langer Zeit in einer Publikation aus dem Dunstkreis von OB Scholz Lobreden auf die - seinerzeit von weitsichtigen Nationalsozialisten heftig kritisierte - imperialistische Politik Adolf Hitlers gegenüber der Tschechoslowakei gehalten wurden.

 

Aus Kreisen der APPD stammt ein höchst bemerkenswertes Textdokument, das an dieser Stelle auszugsweise dokumentiert werden soll: "Noch nie war Deutschland so antifaschistisch: Die BILD-Zeitung, noch vor wenigen Jahren Hauptlieferant von 'kritischen' Berichten über Asylbewerber ist zur Speerspitze der antifaschistischen Bewegung geworden. Politiker aller Parteien überbieten sich in immer neuen Forderungen zur Bekämpfung der bedrohlichen rechten Gewalt (...) Linke Antifaschisten, die den Kampf gegen den Faschismus zu ihrer Lebensaufgabe machen, arbeiten plötzlich Hand in Hand mit dem verhaßten Staat und den kapitalistischen Internetprovidern, wenn es darum geht, der Meinungsfreiheit im Internet einen Riegel vorzuschieben und 'Naziseiten' bei diesen Institutionen zu denunzieren.  Wirtschaftsbosse fordern zusammen mit der BILD Berufsverbot für Nazis, Banken kündigen Konten, es ist ein schaurig-schönes Bild. Was für eine wundersame Wandlung geht da vor? (...) Ganz besonders gilt das natürlich für all die eifrigen Antifas mit der ausgeprägten Blockwartmentalität, die jetzt meinen im Internet eine Art Gesinnungspolizei spielen zu müssen und sich als eifrige Denunzianten hervortun. Ob diese peinlichen Deppen wissen, wie schnell sie selbst aus dem Netz verschwunden sein werden, wenn sie ihre Rolle als nützliche Idioten und Erfüllungsgehilfen unserer ehrenwerten Politiker erfüllt haben? (...) Es ist so offensichtlich: Hier soll das Sommerloch gefüllt werden und gleichzeitig die Grundrechte der Bürger unter dem Deckmäntelchen des Antifaschismus demontiert werden. Während in den siebziger und achtziger Jahren die Bedrohung von Links dazu herhalten mußte, Rasterfahndung, Polizeidatenbanken, maschinenlesbare Personalausweise durchzusetzen, sollen jetzt Rechtsextremisten mißbraucht werden, um die Verbreitung unliebsamer Gedanken im Internet unter Kontrolle zu bekommen und zu unterbinden. Von der Videoüberwachung öffentlicher Plätze bis zur Denunziations-Hotline für Bahnreisende, die so gefährliche rechtsextreme Aktivitäten sofort dem BGS melden können, wird nichts unversucht gelassen, um das Netz der Kontrolle und Überwachung weiter auszubauen. Es besteht Grund zu der Annahme, das diese tollen Maßnahmen, die unser aller Sicherheit so sehr verbessern, gegen JEDEN Anwendung finden werden, der gerade Meinungen und Gedanken äußert, die unangebracht sind und nicht in unser Zeitalter der Globalisierung und multikulturellen Gesellschaft passen."

 

Zur Startseite!