Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 21. bis 27. Dezember 2002

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Batasuna-Verdächtige auf freiem Fuß

Aufmarsch in Nahost geht weiter

 

 

Zitat der Woche:
"Die Proletarier verlassen ihre dunklen Quartiere. Sie treiben im Strom der Bürger friedlich über die Straße. Sie gaffen die Paläste an, die im Schmuck von tausenden von Glühbirnen und Scheinwerfern erstrahlen und fühlen sich wie im Märchen. Sie reiben sich vergnügt die Hände, verzaubert vom Lichtfest, das ihnen ein bürgerliches Stadtparlament von Sozialdemokraten bietet. Sie reiben sich vergnügt die Hände - sie haben vergessen, dass sie einmal lernten Fäuste zu machen. Und wenn sie es nicht vergessen hätten, so wüssten sie doch nicht gegen wen sich wenden. Wahrscheinlich schlügen sie den Installateuren die Lampen kaputt, den einzigen, die praktischen Nutzen aus der Sache ziehen, der ihnen im Übrigen gerne vergönnt sei. Mit zufriedenem Herzen und geschultertem Regenschirm wandert der Spießer die Straßen seiner Stadt auf und ab. Im tausendkerzigen Schein dünkt ihm seine Vaterstadt erst liebenswert. Ein Schauer des Wohlstandes erfüllt die Brust des kleinen Mannes. Heil Ihr Zufriedenen! Euch grüßen die Enterbten!"
- anonym, 1928

 

Der vor wenigen Tagen von der französischen Polizei verhaftete mutmaßliche ETA-Militärchef Ibón Femández de Iradi ist kur vor seinem Abtransport nach Paris entkommen. Der 31-Jährige soll in mindestens 18 Anschläge der baskischen Untergrundorganisation verwickelt sein. Während die französische Regierung ankündigte, sie werde nach dem Beispiel der korsischen Nationalisten inhaftierte baskische Untergrundkämpfer in heimatnahe Gefängnisse verlegen, plant Spanien eine weitere Verschärfung der ohnehin schon harten Haftbedingungen für ETA-Aktivisten. Vor dem spanischen Nationalen Gerichtshof wurden 19 Führungsmitglieder der linksnationalistischen Partei Batasuna vernommen. Untersuchungsrichter Garzón wirft den Beschuldigten vor, sie seien Mitglieder der ETA und hätten deren Anweisungen an den politischen Flügel der Bewegung umgesetzt. Die Basken bestritten die Zuständigkeit des Nationalen Gerichtshofes, der nicht befugt sei, über politische Aktivitäten zu urteilen. Daraufhin wurden sie auf Antrag des Justizministeriums unter Meldeauflagen freigelassen, weil keine ausreichenden Gründe für weitergehende juristische Schritte vorliegen – eine schallende Ohrfeige für Garzón. Die ETA drohte zum Jahreswechsel in Schreiben an die Botschaften mehrerer Staaten – wie beinahe jedes Jahr - Terroranschläge auf beliebte Tourismusziele in Spanien an.

 

In North Belfast wurde der 25-Jährige Protestant David Cupples von loyalistischen Randalierern angegriffen und zu Tode geprügelt. Die Mörder hielten Cupples für einen Katholiken – pikanterweise arbeitete der Tote als Zivilangestellter für die britische Armee. In der innerloyalistischen Fehde zwischen Johnny Adair und der Ulster Defence Association scheiterte ein Vermittlungsversuch aus Kirchenkreisen, da beide Seiten sich unnachgiebig zeigten. Das UDA-Kommando kündigte den Wiederaufbau der aufgelösten Brigade West Belfast an – ohne Adair und seinen Anhang. Nun eskalierte der Konflikt in einem blutigen Schlagabtausch. Nachdem Adair-Leute ein Haus in North Belfast unter Feuer nahmen, scheiterte ein Mordanschlag der UDA in East Belfast. Johnny Adairs Mordkommandos reagierten schnell: Jonathan Stewart, Neffe eines abtrünnigen Gefolgsmannes, wurde auf offener Straße buchstäblich exekutiert. Mit Elizabeth McDonald wurde die Schwester des UDA-Brigadiers von South Belfast angeschossen, ebenso ihr Ehemann. Bei einem Gegenschlag der UDA wurden ein Adair-Anhänger und dessen Ehefrau in North Belfast verletzt. Das Oberkommando der UDA kündigte an, die Fehde werde erst mit dem Tod Johnny Adairs und von dessen Kompagnon John White beendet sein.

 

Nordkorea entsiegelte einseitig die von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA versiegelten Atomanlagen, betonte aber, die Wiederaufnahme des Atomprogrammes diene rein zivilen Zwecken. In den USA wurden bereits Befürchtungen laut, Pjöngjang werde innerhalb von 5 Monaten über eine einsatzfähige Atombombe verfügen. Die nordkoreanische Regierung warf die letzten anwesenden Inspekteure der IAEA kurzerhand aus dem Land. Im krassen Gegensatz zur Irak-Krise ist Washington bemüht, die Angelegenheit vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen. Das nordkoreanische Parteiorgan warnte Washington nachdrücklich vor einer Eskalation der Spannungen: "Wenn die USA weiter versuchen, die Angelegenheit zu internationalisieren, im Bemühen, sich ihrer Verantwortung zu entziehen, wird das die Situation in eine unkontrollierbare Katastrophe treiben."

 

Die USA bequemten sich auf massives Drängen von Blix, UNMOVIC nachrichtendienstliche Informationen über das irakische Militärpotential zukommen zu lassen. Angesichts der ergebnislosen Inspektionen änderte die Bush-Administration mittlerweile ihre Haltung: Allen rechtlichen Gepflogenheiten hohnsprechend schanzte Washington der irakischen Regierung die Nachweispflicht zu, dass sie keine Massenvernichtungswaffen besitze. Damit soll also der Angeklagte seine Unschuld beweisen, nicht etwa die Anklage seine Schuld. Die irakische Regierung zeigte Entgegenkommen und ist zu Verhandlungen über eine Nachbesserung des von ihr eingereichten Dossiers bereit. Nach Informationen der "Washington Post" lief die Verlegung von weiteren 50.000 Soldaten in die Golfregion an, so dass die US-Truppen Ende Januar angriffsbereit wären. Im Januar werden sich 4 Flugzeugträger in der Golfregion befinden bzw. auf dem Anmarsch sein. Die Vereinten Nationen bereiten sich darauf vor, im Falle eines amerikanischen Angriffes 900.000 Flüchtlinge aus dem verwüsteten Irak versorgen zu müssen.

 

In den Augen von NATO-Generalsekretär Lord Robertson hat das Bündnis die "moralische Verpflichtung", einen US-Krieg gegen den Irak zu unterstützen. Die US-Streitkräfte könnten einen möglichen Krieg gegen den Irak allein nicht führen, sondern seien auf Stützpunkte ihrer Alliierten im Nahen Osten angewiesen. Laut Robertson stehen die NATO-Staaten voll hinter der UN-Resolution zur Abrüstung des irakischen Regimes. Wenn dieser Prozess jedoch scheitern sollte, stehe die NATO eindeutig in der "moralischen Verpflichtung, alle Hilfsanforderungen der USA zu erfüllen". Die geplante US-Aggression erfüllt allerdings alle Kriterien eines Angriffskriegs und verstößt demnach nicht nur gegen das Völkerrecht und gegen geltende internationale Verträge. Zu nennen wären hier: die Charta der Vereinten Nationen (Artikel 2), die Genfer Konvention IV zum Schutze der Zivilbevölkerung vom 12. August 1949 (Artikel 51) und die Schlussakte von Helsinki 1975/NATO-Vertrag (Artikel 51). Die Beteiligung an einem Angriffskrieg ist der Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus durch das Grundgesetz (Art. 26 Absatz 1), unter Strafandrohung ausdrücklich verboten. Und § 80 des Strafgesetzbuches legt fest: "Wer einen Angriffskrieg (...), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft."

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

Zur Startseite!