Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 9. bis 15. Oktober 2004

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 


Zitat der Woche:
"Der Nationalismus kennt keine Mitarbeit am herrschenden System, er kennt kein Rechts und Links, keine monarchistische Sympathie, keinen Opportunismus, keine Kompromisse. Er ist durch und durch revolutionärer Aktivismus."
- Friedrich Georg Jünger

Die „Volksfront von Rechts“ nimmt - wenn schon greifbare Inhalte ausbleiben - zumindest auf politisch-taktischer Ebene Gestalt an. Presseberichten zufolge vereinbarten die pseudo-nationalrevolutionäre NPD und die rechtsreaktionäre DVU den Abschluss eines Wahlbündnisses. Künftig wollen die beiden deutschnationalen Parteien bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen nicht gegeneinander antreten und stattdessen jeweils dem Partner den Vortritt lassen. Auszuhandeln bleibt noch, welche Partei zu welchem Wahlgang antreten wird. Derzeit sieht es nach einem Antreten der NPD in Schleswig-Holstein und der DVU in Nordrhein-Westfalen aus, während bei der Bundestagswahl 2006 wohl die NPD mit dem Listenzusatz DVU kandidieren wird, auf dass die Harzburger Front 2004 in Fraktionsstärke in die Quasselbude im Bundestag einziehen werde. Einer VS-Meldung zufolge hält sich das Echo auf die Volksfront zumindest in Berlin in engen Grenzen; von einem deutlichen Mitgliederzuwachs könne nicht gesprochen werden. Das Zusammenrücken beider Gruppierungen zeigt erneut, dass die antikapitalistischen und sozialdemagogischen Verlautbarungen der National-Demokraten als verbalradikales Taktieren zu werten sind, um aus der latent antikapitalistischen Stimmung der Massen im ureigensten Sinne des Wortes Kapital zu schlagen. Bestenfalls scheint den selbsternannten Volksfrontlern an einer Reanimierung des in Agonie liegenden rheinischen Kapitalismus gelegen zu sein. Aber: Auch wenn nach dem Vorbild des Gulaschkanonen-Sozialismus des Dritten Reiches Angehörige der Geldsackaristokratie sich dazu herablassen, gemeinsam mit ihren Ausbeutungsobjekten Sonntags einen Schlag Eintopf zu verdrücken oder der alte Krupp Butterbrote verteilend durch die Fabrikhallen wandelt, ändert das nichts an den realen Machverhältnissen - an Ausbeutung, die auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln und Kapitalvermögen beruht. Wenn NPD-Chef Voigt den Ausgang der sächsischen Landtagswahlen als „revolutionär verändertes Wahlverhalten“ bezeichnet, bleibt uns frei nach Ernst Jünger nur die Antwort: Das Schreiben einer einzigen Zeile, also die Erarbeitung weltanschaulicher Grundlagen, ist wertvoller, als einige Tausend Trottel im Parlament zu vertreten.

 

Die SPD hat in der zweiten Runde der Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen deutlich Boden gut gemacht. Bei Stichwahlen um das Amt des Oberbürgermeisters und des Landrats nahmen die Sozialdemokraten der CDU die Rathäuser in Gelsenkirchen, Mönchengladbach, Hagen, Leverkusen und Remscheid ab. Außerdem gewannen die Sozialdemokraten 2 Landkreise hinzu. Sie mussten aber auch schmerzhafte Niederlagen einstecken: Mit Duisburg und Wuppertal konnte die CDU zwei SPD-Hochburgen erobern. Vielerorts gab nur jeder dritte Wahlberechtigte seine Stimme ab. Die SPD stellt nun an Rhein und Ruhr 13 Oberbürgermeister, der CDU gehören 10 Stadtoberhäupter an. Die CDU bleibt dagegen in den Landkreisen die dominierende Kraft und stellt 27 der 31 Landräte. In den beiden größten Ruhrgebietsstädten verteidigten die Amtsinhaber ihre Posten. In Essen setzte sich die CDU durch, in Dortmund hingegen die SPD. Die Beteiligung am zweiten Wahlgang lag bei knapp 38 %, was ein zweifelhaftes Licht auf die politische Legitimation der gewählten Stadtoberhäupter wirft.

 

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, entwickelt sich in bundesrepublikanischen Gefängnissen ein florierendes Zwangsarbeitssystem. Gemäß Paragraph 41 Strafvollzugsgesetz sind Strafgefangene und jugendliche Untersuchungshäftlinge zur Arbeit verpflichtet; bei Weigerung drohen drei Monate Einkaufsverbot oder gar strenge Einzelhaft. Rund 40 % aller arbeitsfähigen Knastinsassen in der BRD arbeiten bereits für Privatunternehmen. Hinzu kommen die Eigenbetriebe der Justizvollzugsanstalten. Vor allem mittelständische Betriebe, die Lieblingskinder antisozialistischer Volksgemeinschaftsideologen, profitieren von der Möglichkeit, Häftlinge für einen Hungerlohn für sich schuften zu lassen. Pro Tag erhalten die Zwangsarbeiter bis zu 13,04 Euro, also etwa soviel wie ein Industriearbeiter in Rumänien. Bis ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes noch schlimmeren Auswüchsen einen Riegel vorschob, wurde nur die Hälfte gezahlt. Da der Großteil des Lohnes in den anstaltseigenen Kaufladen wandert, profitiert auch der Staat vom Zwangsarbeitssystem. Der limitierende Faktor in vielen Gefängnissen ist derzeit nur der Platz. In der größten bayerischen JVA, München-Stadelheim, finden deshalb von den 1700 Inhaftierten nur 170 einen Arbeitsplatz in den beiden Unternehmerbetrieben. Anbauten sollen nun das Problem lösen, nicht nur in München. Das bayerische Justizministerium baut neue Betriebsgebäude auch in den Anstalten Aichach, St.Georgen-Bayreuth, Hof sowie Traunstein und erweitert die Werkstätten in Memmingen, Bernau und Amberg. Länder wie Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Bayern erwirtschaften jährlich zwischen 15 und 25 Millionen Euro.

 

Bei den Parlamentswahlen in Litauen hat die erstmals angetretene Arbeitspartei einen deutlichen Wahlsieg erzielt und die Regierungskoalition ihre Mehrheit verloren. Die Arbeitspartei erreichte 28,6 % der Stimmen, wie die Wahlkommission in Vilnius nach Auszählung nahezu aller Wahlzettel mitteilte. Die bisherige Regierung erhielt hingegen nur 20,7 % der Stimmen (2000: 50%). Das Bündnis aus Sozialdemokraten und Sozialliberalen war als gemeinsame Liste unter dem Namen „Wir arbeiten für Litauen" angetreten. Ministerpräsident Algirdas Brazauskas spekulierte bei der Stimmabgabe bereits über eine mögliche Koalition mit der Arbeitspartei. Im Frühjahr war Staatspräsident Rolandas Paksas wegen Amtsmissbrauch abgesetzt worden. Der von Paksas geförderten Liste "Für Ordnung und Gerechtigkeit" gelang mit 11,4 % überraschend deutlich der Einzug in den kommenden Seimas. Dort vertreten sein werden auch die konservative Vaterlandsunion (14,6 %), die Liberale Union (9,1 %) und Bauernpartei/Neue Demokratie (6,6 %). Zentrales Thema im Wahlkampf waren innenpolitische Fragen. Die Arbeitspartei versprach dabei Steuersenkungen und eine schnelle Verbesserung des Sozialsystems. Der russischstämmige Millionär Viktor Uspaskich hatte sie erst im vergangenen Juni gegründet. Bei der Wahlfeier kündigte er an: Die Wahlbeteiligung lag mit gut 45 % deutlich niedriger als bei den letzten Parlamentswahlen. Rund 2,7 Millionen Bürger waren aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Der baltische Staat war im Frühjahr der Nato und der EU beigetreten. Alle großen Parteien hatten sich im Wahlkampf verpflichtet, den außenpolitischen Kurs der Westintegration fortzuführen. In vermutlich 66 der 71 Bezirke stehen am 24. Oktober Nachwahlen zu Direktmandaten an. Beobachter erwarten förmliche Koalitionsverhandlungen deshalb erst für November.

 

Bundesinnenminister Otto Schily ordnete an, dass die bereits in der Koalitionsvereinbarung vorgesehene Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei jetzt in Angriff genommen wird. Er hat den Auftrag erteilt, dass kurzfristig ein Gesetzentwurf erarbeitet werden soll. Hierzu erklärte Schily: „Der Bundesgrenzschutz ist eine Polizei des Bundes, deren Aufgabe sich längst nicht mehr auf den klassischen Schutz der Grenzen beschränkt. Aus einer früher vornehmlich verbandsmäßig aufgestellten Organisation ist eine mehr und mehr einzeldienstlich orientierte, moderne Polizei des Bundes geworden, deren Bezeichnung "Bundesgrenzschutz" ihrem heutigen Aufgabenspektrum nicht mehr gerecht wird: Die Polizei des Bundes ist auch Bahnpolizei und auf zurzeit 14 Großflughäfen verantwortlich für den Schutz vor Angriffen gegen die Sicherheit des Luftverkehrs, sie schützt Verfassungsorgane des Bundes, ist zuständig für die Verfolgung von Straftaten sowie Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten in ihren Aufgabenbereichen, sie wirkt an polizeilichen Aufgaben im Ausland ebenso mit wie am Schutz deutscher diplomatischer und konsularischer Vertretungen im Ausland und von Auslandsstationen der Deutschen Lufthansa, sie unterstützt das Bundeskriminalamt bei der Wahrnehmung von Aufgaben des Personenschutzes, sie erfüllt Aufgaben auf der Nord- und Ostsee einschließlich des Umweltschutzes und mit ihren Verbandskräften steht sie auch den Polizeien der Länder zur Unterstützung, insbesondere bei Großeinsätzen, aber auch zur Hilfeleistung bei Katastrophen und besonders schweren Unglücksfällen zu Verfügung. Die bestehende Bezeichnung "Bundesgrenzschutz" wird der tatsächlichen Aufgabenvielfalt der Bundespolizei deshalb längst nicht mehr gerecht. Die Umbenennung in "Bundespolizei" erfolgt allein mit dem Ziel einer aufgabengerechten Namensgebung. Inhaltliche Änderungen, Umstrukturierungen oder gar Erweiterungen der bestehenden Zuständigkeiten sind mit der Namensänderung nicht verbunden. Die neue Bezeichnung kommt in der Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes in Bundespolizeigesetz zum Ausdruck und erfordert - innerhalb und außerhalb dieses Gesetzes - zahlreiche, überwiegend rein redaktionelle Folgeänderungen in über 400 einzelnen Vorschriften.“

 

Die syrischen Behörden haben nach Informationen der arabischen Tageszeitung „Al Hayat" vier arabische Verräter festgenommen, die ein Attentat auf den Hamas-Führer Khaled Mechaal geplant haben sollen. Die drei Männer und eine Frau gestanden Ende September, vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad angeworben worden zu sein. Das als seriös geltende Blatt zitierte nicht näher genannte palästinensische Quellen in Damaskus und Beirut, die die Festnahmen bestätigten. Mechaal, Chef des Politbüros der radikalen Palästinenserorganisation Hamas, befindet sich derzeit angeblich nicht in Syrien - wohl, um sich dem zionistischen Staatsterrorismus zu entziehen. Schon 1997 hatten mit kanadischen Pässen ausgestattete israelische Geheimdienstagenten in Jordanien versucht, Mechaal umzubringen. Der Anschlag misslang; Kanada hatte damals scharf gegen den Missbrauch seiner Pässe protestiert. Die Agenten injizierten Mechaal auf offener Straße in Amman mit einer Spritze ein Gift. Sein Leben hat er dem damaligen jordanischen König Hussein zu verdanken, der die israelische Regierung zwang, ein Gegengift zu liefern; Mechaal überlebte. Israel musste damals auf jordanischen Druck auch den Hamas-Gründer Scheich Ahmed Yassin nach zehnjähriger Haft freilassen, den es mittlerweile in Gaza ermordet hat.


Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erhob schwere Vorwürfe gegen die USA: Mehrere angebliche Terror-Verdächtige aus den Reihen der al-Qaida seien in US-Haft verschwunden, niemand wisse über den Verbleib Bescheid. Die Gefangenen werden von der CIA an einem unbekannten Ort vermutlich außerhalb der USA festgehalten. Weder das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, noch die Familien der Häftlinge wurden über das Schicksal der Gefangenen unterrichtet, und Zeugenaussagen berichten von Folterungen durch US-Geheimdienstler. Die Verschwundenen befinden sich außerhalb jedes Rechtsschutzes. Mit der Geheimhaltung des Verbleibs der Häftlinge verstoßen die USA nach Angaben von Human Rights Watch gegen die Genfer Konventionen. Diese fordert, dass das Internationale Komitees des Deutschen Roten Kreuzes zu allen Gefangenen unter allen Umständen Zugang erhält. Human Rights Watch rief die USA auf, alle Häftlinge unter Rechtsschutz zu stellen. „Wenn die USA Methoden der Folter und des ,Verschwindenlassens' von Personen ihrer Gegner annehmen, dann wenden sie sich von ihren eigenen Idealen und internationalen Verpflichtungen ab und stellen ihre Nation in Frage.“

 

Am vergangenen Freitag wurde der IG BCE-Vertrauensmann Marc Treude bei der Cinram GmbH in Alsdorf fristlos gekündigt. Hintergrund sind die Pläne der Geschäftsleitung, 350 Mitarbeiter zu entlassen. Dieser Arbeitsplatzvernichtung hatte der Cinram-Betriebsrat zugestimmt, ebenso wie die DGB-Gewerkschaft IG BCE. Der Hinauswurf Treudes erfolge übrigens mit Zustimmung des Betriebsrates und der IG BCE. Ein erneutes Zeichen dafür, dass das BRD-Betriebsrats- und Gewerkschaftssystem wie schon zu Zeiten des Dritten Reiches als Konfliktpuffer und Kollaborateur und nicht etwa als Arbeitnehmervertretung konzipiert ist. Und ein Zeichen dafür, dass die Verschärfung des Betriebsverfassungsgesetzes mit ihrer Betonung des politischen Betriebsfriedens nicht nur gegen „Rechte“, sondern vermehrt auch gegen „Linke“ zum Einsatz kommt. Marc Treude hatte die geplanten Entlassungen und das Verhalten des Betriebsrates kritisiert und Widerstand im Betrieb organisiert. Anlass für die Entlassung war ein Artikel von Marc Treude, der auf der Website www.sozialismus.info erschien. Hier hatte er unter anderem zur Opposition gegen den politischen Kurs der IG BCE-Führung aufgerufen. Treude ist Mitglied der Sozialistischen Alternative (SAV) und wurde am 26. September für das Wahlbündnis „Gemeinsam gegen Sozialkahlschlag“ in den Aachener Stadtrat gewählt. Proteste bitte an Cinram GmbH, z.Hd. John Fitzgerald, Max-Planck-Str. 1-9, 52477 Alsdorf , Fax: 02404-58111. Email: [email protected].

 

Einem Bericht des irakischen Gesundheitsministeriums zufolge droht im Zweistromland eine humanitäre Katastrophe größten Ausmaßes. Die bereits durch die mörderischen Auswirkungen des UN-Sanktionsregimes geschwächte Bevölkerung (es gab bis zu 1,5 Millionen Tote seit 1991) wird nun durch den Kollaps der medizinischen Versorgung bis ins Mark getroffen. Die Gewaltexzesse der anglo-amerikanischen Invasoren und die von ihnen geduldeten Plünderungen haben nun dem irakischen Gesundheitswesen den Rest gegeben, jedes 8. Krankenhaus und jedes 3. Gesundheitszentrum sind ausgefallen. Da nicht nur die Strom-, sondern auch die Wasserversorgung zusammengebrochen sind, fehlt 20 % aller städtischen und rund 30 % aller ländlichen Haushalte der Zugang zu Trinkwasser, was zu einer massiven Zunahme von Krankheiten wie Typhus, Masern, Mumps und Gelbsucht führt und vor allem Kinder und Jugendliche bedroht. Bereits während des Sanktionsregimes hat sich die Kindersterblichkeit im Irak mehr als verdoppelt; die Zahl der bei Geburten oder infolge des Kindbettfiebers sterbenden Mütter verdreifachte sich. Mittlerweile leben im Irak 27 % der Bevölkerung von weniger als 2 Dollar am Tag, die Lebenserwartung liegt mit ca. 60 Jahren auf dem Niveau des Sudans oder Afghanistans.

 

Irak: Sonntag: 4 Tote bei Raketenangriff auf das irakische Ölministerium in Bagdad. 10 Tote bei Selbstmordanschlag auf eine nahe gelegene Polizeischule. Montag: Die Entwaffnung der in Sadr City stehenden Verbände der schiitischen Mahdi-Armee hat begonnen. Als Gegenleistung sicherte die irakische Kollaborationsregierung die Freilassung gefangener Mahdisten, finanzielle Entschädigungen und ein großzügiges Wiederaufbauprogramm für Sadr City zu / Die Amerikaner verlieren bei Gefechten in Mossul einen Gefallenen und 9 Verwundete / Amerikaner verlieren 2 Tote und 5 Verwundete bei Gefechten in Bagdad, heftige Kampfhandlungen auch in Ramadi und Hit, Luftangriffe auf Falluja / Aufgrund des völligen militärischen Versagens amerikanischer Söldner übernimmt die irakische Grenzpolizei den Schutz der Ölanlagen im Süden des Landes. Dienstag: Im Interview mit der „Financial Times Deutschland“ schließt Bundesverteidigungsminister Struck einen zukünftigen Einsatz der Bundeswehr im Irak nicht mehr aus. Mittwoch: Meuterei einer US-Nachschubeinheit in Bagdad, die einen ungesicherten Konvoi in das Umland bringen soll; in der Tat ein glattes Himmelfahrtskommando. Die betroffene Einheit, die 343. Quartiermeisterkompanie, wird vorerst aus der Front gezogen / Dem britischen „Guardian“ zufolge ist James Baker, der US-Sonderbeauftragte für die irakischen Schulden, mit 150 Millionen Dollar an der Carlyle-Gruppe beteiligt - welche im Auftrag Kuwaits 22 Milliarden Dollar bei der irakischen Regierung eintreiben soll. Donnerstag: 4 US-Söldner sterben bei Bombenanschlag auf die amerikanische Botschaft in Bagdad, 6 Tote bei Bombenanschlag auf ein von Besatzern und Kollaborateuren frequentiertes Café in der Stadtmitte / US-Luftwaffe begrüßt den islamischen Fasten- und Versöhnungsmonat Ramadan mit schweren Angriffen auf Falluja / Freitag: Neue amerikanische Offensive gegen Falluja beginnt

 

In Berlin zeigt sich, wie viel von den öffentlichen Tiraden der linkssozialdemokratischen PDS gegen Hartz IV zu halten ist, nämlich nichts. Unter Federführung des Berliner Wirtschaftssenators Harald Wolf (PDS) zwingt die Landesregierung in Kürze 33.000 Arbeitslose in ausbeuterische Ein-Euro-Jobs. Die Zwangsarbeiter sollen vor allem im öffentlichen Dienst und in öffentlichen Einrichtungen zum Einsatz kommen. Vorgesehen sind die Bereiche Bildung, Betreuung, Umwelt, Naturschutz, Kultur und Wissenschaft. 12.000 der Betroffenen werden von Wolf als Fälle für arbeitserzieherische Maßnahmen betrachtet. In bestem Braundeutsch formulierte der PDS-Senator, diese Erwerbslosen müssten durch „Arbeitserprobung“ erst einmal wieder an einen geregelten Tagesablauf gewöhnt werden. Zwischen der Haltung der Springer-Presse gegenüber Langzeitarbeitslosen und derjenigen der SED-Nachfolgepartei besteht offensichtlich kein Unterschied mehr. Weitere 3000 Zwangsarbeiter sollen zu Privatunternehmen abgestellt werden.

 

In Kolumbien scheiterte in Bogotá ein Mordanschlag von AUC-Paramilitärs auf Francisco Ramírez Cuellar, den Vorsitzenden der Bergarbeitergewerkschaft Sintraminercol. Der Attentatsversuch, in den auch der in der Schweiz beheimatete Zementriese Holcim verwickelt ist, fiel zeitlich mit den Massenprotesten gegen die Privatisierungs- und Liberalisierungspläne der amerikafreundlichen Regierung Uribe zusammen. Sintraminercol sieht sich seit dem Sommer einem Feldzug von Paramilitärs, Polizei und Nachrichtendiensten gegenüber, der mit Beschattung, Einschüchterung und offener Gewalt bis hin zu Morden und Bombenanschlägen betrieben wird. In dieser Woche organisierten die drei linksgerichteten kolumbianischen Gewerkschaftsverbände CGT, CUT und CPC einen eintägigen Generalstreik gegen Uribes neoliberale Politik und die geplante panamerikanische Freihandelszone (der von Solidaritätskundgebungen in Peru und Ecuador begleitet wurde). Gemeinsam bildeten sie für weitere Aktionen ein einheitliches Zentralkommando, um die Schlagkraft ihrer Kampfmaßnahmen zu erhöhen. In den vorausgehenden Wochen legte ein dreiwöchiger Streik der Lastwagenfahrer den kolumbianischen Straßenverkehr lahm. Ermordet wurde hingegen Pedro Mosquera, Vizepräsident der Landarbeitergewerkschaft von Arauca, ein ausgesprochener Kritiker Uribes. Offensichtlich wurde der Aktivist auf der Flucht nach Venezuela abgefangen, gefoltert und umgebracht - ein klassisches Tatmuster der AUC. Als Auftraggeber wird der von US-Kapital kontrollierte Konzern Occidental Petroleum gehandelt, der in Arauca zwecks Ausbeutung der Ölvorkommen die einheimischen Landbesitzer vertreiben lässt. In den letzten Monaten starben auch 9 Mitglieder der Nahrungsmittelgewerkschaft Sinaltrainal - ermordet von Paramilitärs im Auftrag des Coca Cola-Konzerns. In vielen Nahrungsmittel- und Getränkebetrieben wurden bekannte Gewerkschaftsmitglieder so lange unter schwerer Bewachung durch Angehörige von Privatarmeen gefangen gehalten, bis sie in Todesangst ihren Austritt aus dem Sinaltrainal erklärten. Seit Uribes Amtsantritt verdoppelte sich die Zahl der Morddrohungen an die Adresse von Gewerkschaftsmitgliedern, 98 mussten in andere Landesteile flüchten oder ins Ausland gehen. 90 % aller weltweit ermordeten Gewerkschafter sterben in Kolumbien, aber bislang vermochten weder die Internationale Arbeitsorganisation noch die EU eine Benachteiligung oder gar Unterdrückung der Arbeiterbewegung zu erkennen. Bereits am 17. September wurde Professor Alfredo Correa de Adreis durch die angeblich in Demobilisierung befindlichen AUC-Todesschwadronen ermordet. Der renommierte Soziologe machte sich unbeliebt, da er über die durch Armee und Paramilitärs durchgeführten Vertreibungen zugunsten ausländischer Konzerinteressen forschte. Zur Unterstützung von Präsident Uribe und zur Sicherung der amerikanischen Wirtschaftsambitionen genehmigte der US-Kongress die Verdoppelung der US-Militärberater auf 800 und der im Einsatz befindlichen US-Söldner auf 600 Personen. Unabhängigen Nachrichtenquellen zufolge befinden sich jedoch bereits bis zu 2000 Söldner im Auftrag von US-Firmen in Kolumbien, und alleine in Arauca befinden sich statt der offiziell 60 US-Militärberater bis zu 400 Soldaten.

 

Angesichts der Bedrohung der Bolivarianischen Revolution durch die USA, die reaktionäre Regierung in Kolumbien und die einheimischen Machteliten schreitet Venezuela zur Aufrüstung und zur Anlehnung an Moskau und Peking. Die Regierung Chávez orderte als ersten Schritt zu einer engeren Kooperation mit Russland 40 Hubschrauber, ferner wurden Wirtschaftsverträge im Gesamtvolumen von 1 Milliarde Dollar abgeschlossen. Schwerpunkt ist der Bau einer Aluminiumhütte durch russische Firmen, außerdem sind Investitionen in der Erdöl- und Erdgasförderung vorgesehen. Weitere Waffenkäufe in der Ukraine stehen an - und infolge des Bedarfes an Übersetzern und Instrukteuren dürfte sich die Zusammenarbeit mit Kuba nun auch auf den militärischen Sektor erweitern.

 

Der EU-Außenministerrat beschloss die Aufhebung des seit den 80er Jahren bestehenden Waffenembargos (sowie aller Wirtschaftssanktionen) gegen Libyen. Hinter dem Beschluss der Europäer stehen handfeste Wirtschaftsinteressen, denn Libyens marode Erdöleinrichtungen bedürfen dringend einer Überholung, darüber hinaus stellt Tripolis Konzessionen in Milliardenhöhe in Aussicht. Kurz nach dem EU-Beschluss reiste eine hochrangige BRD-Wirtschaftdelegation mit Kanzler Schröder im Gepäck nach Tripolis. Derzeit stehen BASF (Wintershall), MAN, Siemens, Bilfinger Berger, RWE DEA und Krupp Ude in Verhandlungen über Investitionsprojekte in Libyen. Gaddafi lockt mit dem Bau einer Ost-West-Eisenbahn entlang der Mittelmeerküste, dem Ausbau des Hafens von Tripolis, Großprojekten in der Wasserversorgung, Kraftwerken, einer Gasaufbereitungsanlage, der Modernisierung von Raffinerien, einem Windenergiepark und dem Aufbau eines Telekommunikationsnetzes. Bereits jetzt ist Libyen der viertwichtigste Erdöllieferant der Bundesrepublik. Ein weiterer Gesichtspunkt ist die vor allem von Italien und der BRD betriebene Kasernierung von Wirtschaftsflüchtlingen in den nordafrikanischen Staaten. Die Migranten sollen in Konzentrationslagern (genau dieses Wort benutzte ein italienischer Regierungsvertreter) interniert werden, um sie auf Abruf als Arbeiterkontingente und Lohndrücker den europäischen Großkonzernen zur Verfügung stellen zu können.

 

Der Vorstand des offenkundig akut vom BRD-Virus befallenen Vereins „LabourNet.de Germany“ forderte uns auf, den Verweis zu seiner Internetpräsenz zu entfernen. Zu diesem Anliegen haben wir einige Anmerkungen. Zunächst einmal scheint LabourNet nicht sonderlich viel an der Verbreitung antikapitalistischer, gesellschaftskritischer und sozialistischer Inhalte und Kritikansätze unter der „Rechten“ zu liegen. Wo kämen wir denn auch hin, wenn die - auf diesen Gebieten zugegebenermaßen oftmals ziemlich schmalbrüstigen - „Rechten“ plötzlich nicht mehr dazu bereit sind, linksbourgeoise Klischees und Gruselbilder zu erfüllen oder den nützlichen Idioten für die kapitalistische Besitzstandswahrung zu spielen. In diesem Falle besorgt LabourNet eindeutig das Geschäft von Kapitalismus und Reaktion. Des Weiteren ist bezüglich des Vereins und seiner Netzpräsenz festzustellen, dass er über seine nützlichen Informationsfunktionen hinaus Illusionen verbreitet. Diese Illusionen sind dergestalt, dass durch den unhinterfragten Konsum von Informationen und Standpunkten der selbsternannten „Gewerkschaftslinken“ nur zu oft der Eindruck vermittelt wird, es sei möglich, innerhalb der Staatsordnung der Bundesrepublik, der Einheitsgewerkschaft DGB oder gar von Parteien wie PDS, Grünen und SPD konsequent sozialistisches Gedankengut zu vertreten (für existierende „rechte“ Gruppierungen gilt ein Gleiches). Wer nach wie vor innerhalb genannter Organisationen aktiv tätig ist, lässt sich - wissentlich oder unwissentlich - als politisches Feigenblatt für deren staatstragenden Kurs instrumentalisieren und hilft dem System dabei, den latenten antikapitalistischen Protest der Massen zu kanalisieren. Der verkappte Reformismus, wie er bei weiten Kreisen der BRD-Linken zutage tritt, ist der Gegner aller Bestrebungen nach Befreiung vom kapitalistischen Joch und ein Hindernis für einen grundlegenden Wandel in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.

 

In RBI-Aktuell vom 15. Oktober beschäftigte sich Bernd Helge Sommer mit der „Ökonomie des Kapitals“: „Das wird ein heißer Winter. Während Wolfgang Clement, Peer Steinbrück und tutti quanti noch vom beginnenden Aufschwung faseln und froh sind, dass Hartz IV endlich durch ist, häufen sich in den Medien die Hiobsbotschaften. Überall wird jetzt auf breiter Front rationalisiert. Arbeitsplätze werden abgebaut, Löhne gekürzt, Urlaubgeld gestrichen, Weihnachtsgeld gestrichen und sonstige Zugeständnisse, die die Arbeiter in besseren Zeiten erkämpften, abgebaut. Mancher mag glauben, dass es nun bald ein Ende haben müsse, doch in Wirklichkeit kommt es noch weit schlimmer. Bei KarstadtQuelle hat es nun eine Einigung gegeben, die „nur“ 5.500 Arbeitsplätze kosten soll, wie eine sichtlich erleichterte Ver.Di-Vertreterin der Öffentlichkeit mitteilte, bei OPEL sollen in Deutschland 10.000 Arbeitsplätze angebaut werden. Die Gewerkschaften rechnen mit massivem Arbeitsplatzabbau bei Schlecker und Spar. Überall wird gekürzt, werden Kosten gesenkt, gleichzeitig die mangelnde Binnennachfrage beklagt, als wären die Konsumenten, die ja gleichzeitig irgendwo auch Arbeiter sind, selbst schuld an ihrem Elend. (...) Dass es in einer Situation, wo die Konjunktur auf Baisse steht und der Markt, also die kaufkräftige Nachfrage, insgesamt zu schwach ist, eben nicht für alle reicht und es daher den Letzten in der Reihe zuerst erwischt, ist eine Binsenweisheit. So ist es immer gewesen in allen Konjunkturzyklen seit Marx und Ricardo. An der Grundproblematik, dass ersten die Profitmöglichkeiten in der Produktion sinken und zweitens die Kosten „zu hoch“ sind, d.h. dass anderswo billiger, profitabler produziert werden kann, ändert das ebenso wenig, wie daran, dass der massive Abbau des Lebensstandards bzw. die Entindustrialisierung in den hoch entwickelten Industriestaaten die Volkswirtschaften vergammeln lässt und die Länder veröden. Schon heute wäre objektiv genug Arbeit da, Geld ebenso, aber es fehlt die profitable Anlagemöglichkeit. Die Argumentation, dass höhere Löhne mehr Nachfrage bedeuteten und so die Konjunktur gerettet werden könne, ist zwar prinzipiell richtig, stößt sich aber an der betriebswirtschaftlichen Sichtweise der Unternehmen, für die Löhne allenfalls potentielle Nachfrage sind, gleichzeitig aber reale Kosten.
So hat, seit mit dem Zusammenbruch des „realen Sozialismus“ auch dessen Länder als Investitionsräume zur Verfügung stehen, ein erbarmungsloser Kreislauf nach unten eingesetzt, der sich selbst verstärkt. Mögen Clement und Co. auch davon überzeugt sein - was anzuzweifeln ist - dass ihre Politik letztlich die Wirtschaft wieder in Gang setze. In Wirklichkeit werden sie auf ihren Aufschwung - jedenfalls auf einen, der auch für die Arbeitenden etwas bringt - lange warten können - mindestens bis zum Doomsday. Zu ändern wäre das nur, wenn die Beschäftigten und die (nicht mehr) Beschäftigten ihre Illusionen verlören und aktiv kämpften. Man wird ihnen mangelnden Verstand vorwerfen, doch was soll´s? Letztlich treffen hier die Ökonomie des Kapitals und die der Arbeiterklasse aufeinander. Den Kampf wird man durchfechten müssen
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Lagefeststellung - Beurteilung der Situation - Möglichkeiten des Handelns - Entschluss - Umsetzung - Kontrolle

 

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