Zeitgeschichte + Hintergründe

 

Falange Espanola - Nationalsyndikalismus in Spanien

 

Teil 8 und Schluss: Zur Ohnmacht verurteilt (1943-1977)

Verfasser: Richard Schapke, im Januar 2005

 

 

Entfaschisierung

Mit dem sich abzeichnenden Zusammenbruch Deutschlands setzte sich auch Franco-Spanien immer weiter von der Achse ab. Zunächst betonte Franco Spaniens strikte Neutralität. Zur Rechtfertigung seines Schaukelkurses entwickelte der Caudillo die Theorie der Drei Kriege: In Asien kämpften Japan und die Alliierten, wobei der Spanien hier im christlich-europäischen Lager stand. In Westeuropa war Spanien im Kampf zwischen der Achse und den Westalliierten neutral. Als antibolschewistische Nation konnte es sich hingegen reinen Gewissens im Kreuzzug gegen den Kommunismus in Osteuropa an deutscher Seite engagieren. Mit diesem Engagement hatte es allerdings kurz vor der Invasion in der Normandie ein Ende. Spanien zog seine Freiwilligen ab, stellte die Rohstofflieferungen an die Deutschen ein und nutzte die Gelegenheit, nicht einmal seine Verbindlichkeiten aus dem Bürgerkrieg zu begleichen. Die Zeichen standen eindeutig auf eine „Entfaschisierung“ des Franco-Regimes.

Ein letzter Erfolg der Falange war das Hochschulgesetz vom 19. Juli 1943. Dieses verpflichtete die Universitäten, den Unterricht und die Erziehungsziele anhand des Parteiprogramms auszurichten. Alle Studenten und Hochschulfunktionäre mussten der Studentensyndikat SEU angehören, dessen Amtsträger nun freilich ernannt und nicht mehr wie bisher gewählt wurden. Auch als ab Herbst 1944 mit voller Duldung der Alliierten kommunistische Partisanen über die Pyrenäen einsickerten, beteiligten sich falangistische Freiwillige am Abwehrkampf. Am „Tag des Sieges“ zur Erinnerung an die Niederwerfung der Republik marschierten am 1. April 1945 letztmalig Parteiaktivisten Seite an Seite mit dem Militär.

Im Mai 1945 berief Franco beruft die junta política ein und kündigte eine Entfaschisierung der Staatspartei an. Der diskreditierte Faschismus sollte durch einen katholischen Korporativismus ersetzt werden, um das Regime über Wasser zu halten. Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechte waren, wenn auch nur in Maßen, vorgesehen. Der Diktator wollte so katholisches Politpersonal gewinnen und sich vor allem die Unterstützung des Vatikans sichern. Allerdings sollte das Monopol der FET als einziger politischer Partei bestehen bleiben. Die Partei wurde ab jetzt allgemein das Movimiento Nacional genannt. Serrano Suner brachte sich vergebens mit dem Vorschlag einer politischen Integration aller nicht-linken Spanier ein. Generalsekretär José Luis Arrese wurde beauftragt, das Fuero des los Espanoles als „Grundgesetz“ zu erarbeiten, verlor diesen Auftrag aber bald an den ultrakatholischen Professor Castiella.

Am 17. Juli 1945 erhielt Franco-Spanien mit dem gegen den erbitterten Widerstand Arreses verabschiedeten Fuero de los Espanoles eine Art Verfassung. Die Sicherheit des Bürgers vor Behördenwillkür wurde zumindest auf dem Papier garantiert. Die Ausübung anerkannter Bürgerrechte durfte jedoch nicht im Widerstreit zur geistigen, nationalen und sozialen Einheit des Landes stehen. Franco kündigte für die Zukunft die Wiederherstellung der Monarchie in Spanien an. Spanien erhielt eine neue städtische Wahlordnung. In den Bezirken konnte der Wähler fortan zwischen zwei Kandidaten entscheiden, die beide von der Regierung bestimmt wurden. Ein Drittel der Abgeordneten in den Stadtversammlungen wurde von den Familienoberhäuptern, ein weiteres Drittel von den Syndikaten gewählt. Die bereits gewählten Abgeordneten wählten das verbliebene Drittel. Alle wichtigen Amtsträger wurden von oben ernannt. Von der einstmals angestrebten beherrschenden Rolle der Syndikate in Politik und Wirtschaftsleben war man meilenweit entfernt.

Wenige Tage später bildete Franco fast die gesamte Regierung um. Um den Westen zu beruhigen, wurde Generalsekretär Arrese abgelöst; sein Posten blieb vorerst vakant. Auch der falangistische Kriegsminister General Asensio verschwand von der Bildfläche. Der Falangist José Antonio Girón blieb Arbeitsminister. Als solcher war er auch zuständig für die Sozialpolitik und konnte auf diesem Gebiet die Syndikate in den Hintergrund drängen (sie verloren selbst die Arbeitsaufsicht). Verantwortlich für diesen Machtverlust der Sindicatos war der Spitzenfunktionär Fermín Sanz Orrio, der uns noch mehrfach begegnen wird. Festzuhalten bleibt, dass sich Parteimann Girón, ein Altfalangist, für Arbeitnehmerrechte einsetzte und durchaus Verbesserungen erreichte. Selbst der friedfertige Sanz Orrio beklagte sich mehrfach öffentlich über die einseitige Bevorzugung der Unternehmer im spanischen Syndikatssystem. Die Syndikate verloren bald auch ihre begrenzten Zuständigkeiten für die Verteilung von Importen und Rohstoffen sowie für die Arbeitsbedingungen. Bezeichnenderweise etablierte das peronistische Argentinien weitaus mächtigere Syndikate als Franco-Spanien. Mit Raimundo Fernández Cuesta wurde ein Altfalangist Justizminister, und das Landwirtschaftsministerium übernahm der Arrese-Anhänger Carlos Rein Segura. Bereits 1944 wurde der Neofalangist Demetrio Carceller als Handels- und Industrieminister entlassen. Vizegeneralsekretär Rodrigo Vivar Téllez führte Geschäfte des Generalsekretärs - ein farbloser Apparatschik, der sich selbst für überfordert hielt. Vivar Téllez wurde 1944 Nachfolger von Mora Figueroa, der wegen Kritik an der exzessiven Repression entlassen wurde. Franco brauchte die Partei nur noch als Zustimmungsbeschaffer und gegebenenfalls als Sündenbock für den Volkszorn. Ende Juli 1945 wurde die Propaganda der Parteikontrolle entzogen und dem katholisch geführten Volksbildungsministerium unterstellt.

Am 29. August 1945 unternahm José María de Olazábal, stellvertretender Chef der Syndikate, einen Anlauf zur Rettung der nationalsyndikalistischen Idee. Spanien sollte durch ein liberalisiertes Syndikatssystem demokratisiert werden. Hierbei hätten die Korporationen durch eine Art Mehrgewerkschaftssystem die Parteien abgelöst. Der Vorschlag ging Franco zu weit und wurde abgelehnt. Am 11. September schaffte Franco den Faschistengruß ab und kürzte das Budget der Staatspartei radikal um 75 % zusammen. Maximal wandte das Regime für die Bewegung 0,5 % des Haushalts auf, in manchen Jahren gar nur 25 %. Die Frustration in falangistischen Kreisen nahm ein solches Ausmaß an, dass im Sommer 1945 Luis González Vicén, Führer der Eliteformation Guardias de Franco und Altkader, mit José Leiva, dem Untergrundführer der anarchistischen CNT über eine Zusammenarbeit zur Erkämpfung des nationalsyndikalistischen Staates verhandelte. Zugleich bildete sich der Círculo Nosotros um den SEU-Chef Carlos María Rodríguez de Valcárel. Unter der Parole „Niemals kapitulieren!“ legte man ein klares Bekenntnis zum Faschismus und Nationalsozialismus ab. Die Gruppe schlief 1946 wieder ein. Valcarcél wurde entlassen und durch José María del Moral ersetzt, der die Entpolitisierung der Studentenorganisation einleitete. Daneben bestand als Untergrundzirkel die Alianza Sindicalista um Narciso Perales und Patricio González de Canales. Sie konspirierte ebenfalls mit den Anarchisten. An der bis in die 50er Jahre hinein aktiven Organisation beteiligte sich auch phasenweise der in Ungnade gefallene Dionisio Ridruejo.

Dennoch schloss die UNO am 11. Dezember 1946 Spanien von der Mitarbeit in allen ihren Organisationen aus und forderte ihre Mitglieder auf, die diplomatischen Beziehungen zu Madrid abzubrechen. Das Land wurde politisch und wirtschaftlich boykottiert, auch die Teilnahme am Marshall-Plan war somit versperrt. Die meisten Spanier sahen sich als eine Nation von Barbaren diskriminiert, und es kam zu echten und spontanen Unterstützungsdemos für Franco. Einer der wenigen Lichtblicke war der Besuch Evita Peróns, die im Juni 1947 mit den Ehren eines Staatsoberhauptes empfangen wurde.

Im Januar 1947 führte Spanien die Jurados de Empresa ein. In allen Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern wurden diese Ausschüsse mit Einspruchs-, Beratungs- und Schlichtungsfunktion eingerichtet. Im November 1953 (vorher tat sich nichts!) mussten auch alle Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten Jurados einrichten. Unter Vorsitz des Unternehmensleiters oder -eigentümers bestanden sie auf 4-12 von der Belegschaft gewählten Vertrauensleuten. Sie mussten mindestens einmal monatlich zusammentreten und hatten das Recht, über den Stand des Unternehmens und Zukunftspläne Information einzufordern. Die falangistischen Syndikate kontrollierten zwar die Arbeitnehmerschaft, hatten aber kaum ihre aktive Unterstützung. Oftmals galten die Vertrauensleute als korrupte Unternehmervertreter, die sich einen faulen Lenz machten. Die Reaktion der radikalen Fraktion bestand in erneuten Verhandlungen mit der CNT.

Am 4. Juli 1947 trat das Gesetz über die Wiedereinführung der Monarchie nach Francos Tod in Kraft. Der eigentliche Thronfolger, der Graf von Barcelona, wurde übergangen. Stattdessen wählte der Caudillo den minderjährigen Don Juan Carlos aus. Der Junge wurde sorgsam auf seine Aufgaben vorbereitet, machte sich jedoch schon frühzeitig seine eigenen Gedanken zur Diktatur und entwickelte sich zu einem Befürworter einer parlamentarischen Monarchie. Damit wurden auch die antimonarchistischen Hoffnungen der Hardliner enttäuscht - mehrfach hatten Parteiideologen die Monarchie zum Relikt der Vergangenheit erklärt.

Wiederbelebung in den 50er Jahren

Im November 1948 wurde Raimundo Fernández Cuesta wieder zum Generalsekretär ernannt (und behielt das Justizministerium in Personalunion). Franco wollte durch eine Reaktivierung der Partei die Monarchisten in ihre Schranken weisen, da Thronprätendent Don Juan die Monarchie nicht als Fortsetzung der Diktatur verstand und Einheitspartei und 26-Punkte-Programm eindeutig ablehnte. Der neue Mann feierte seinen Einstand, indem er die Partei einigen Wortführern des linken Flügels säuberte. Das Movimiento war vorerst als Massenbasis des Regimes unverzichtbar. Es war geistig verantwortlich für die Sozialpolitik, für große Teile der Jugenderziehung, für die Propaganda und für die Syndikate und inkorporierte so einen Teil des „linken“ politischen Spektrums. Als Geste des Staatschefs wurden die Familien Primo de Rivera und Redondo Ortega in den Herzogs- bzw. Grafenstand erhoben. Ramiro Ledesma Ramos wurde geflissentlich übersehen.

Der 2. Nationale Kongress der jefes provinciales am 10. Juli 1949 ging beachtlich hart mit dem Regime ins Gericht. Preiskontrolle, Rationierungen, rigide Medienzensur, Ämterhäufung und die politische Apathie des Generalsekretärs wurden angeprangert. Cuesta verspielte innerhalb kurzer Zeit jegliches Ansehen im Movimiento. Die Spannungen mit dem sich auf Militär und Katholizismus stützenden Regime verschärften sich: 1950 wurde die von kritischen Falangisten herausgegebene Zeitschrift „Si“ wegen Unterstützung eines Bankstreiks verboten, 1952 das parteieigene Satireblatt „La Codorniz“. Immerhin entsandte die Partei im Mai 1951 Vertreter zum Europäischen Nationalistenkongress in Malmö, auf dem sie zusammen mit dem MSI, deutschen und britischen Faschisten (Mosley) die so genannte Malmö-Internationale bildete. Man forderte ein unabhängiges Großeuropa und einen dritten Weg jenseits von Kapitalismus und Kommunismus.

Mit dem anlaufenden Kalten Krieg und vor allem dem Korea-Schock wurde Franco am 5. November 1950 rehabilitiert und zu einem wichtigen Partner des Westens. Mit dem Ende der Isolation konnte das Regime eine auf Technologieimport, Investitionen und Kredite gestützte Modernisierungspolitik einleiten. Zu den wesentlichen Maßnahmen der francistischen Entwicklungsdiktatur - man denke an das Vorbild der Diktatur in den 20er Jahren - zählten die Verstaatlichung strategischer Wirtschaftssektoren wie Eisenbahn oder Telekommunikation und massive Staatsintervention: Ein staatsdirigierter Neokapitalismus anstelle einer auf die Macht der Gewerkschaften gestützten nationalsyndikalistischen Ordnung. In für die Wirtschaftsentwicklung wichtigen Bereichen wurden Staatsbetriebe gegründet, ferner erfolgte die Zusammenfassung staatlicher und privater Betriebe unter Dachgesellschaften (Automobilindustrie, Werften, Leicht- und Schwerindustrie, Energiewirtschaft etc.). Der Staat legte ausgedehnte Programme zur Schaffung einer wirtschaftlichen Infrastruktur (Verkehr, Straßen, Energie), zur Bewässerung und zur Behebung der Kriegsschäden (Wohnungsbau) auf. Die Industrialisierung wurde durch die einseitige Bevorteilung der Arbeitgeberseite begünstigt, es winkten hohe Profite und es gab keinerlei Behinderung durch aufmüpfige Arbeitnehmer oder Proteste gegen die soziale Ungerechtigkeit. Auf diese Aufbauphase folgten ab Mitte der 60er Jahre die Nationalen Entwicklungspläne, die das Land innerhalb von 15 Jahren vom Niveau eines Drittweltstaates unter die bedeutendsten Industrienationen der Welt führten. Der Aufschwung basierte auch auf Auslandsinvestitionen, die massiv durch den Staat gefördert werden. Auf den beeindruckenden Resultaten dieser technokratischen Entwicklungsdiktatur und aus dem Trauma des Bürgerkrieges fußte lange Zeit die Stabilität des autoritären Systems, das erst mit dem Einsetzen der Rezession in den 70ern in seine finale Krise geriet. Unterminiert wurde es freilich schon vorher durch Demokratisierungsforderungen, durch Studenten- und Arbeiterproteste, durch die politische Lähmung der Staatspartei und vor allem durch den Konflikt im Baskenland.

Die Regierungsumbildung vom 19. Juli 1951 stärkte die Stellung der Falange: Girón behielt das Arbeitsministerium, Generalsekretär Fernández Cuesta wurde in den Ministerrang erhoben. Der Neofalangist Rafael Cavestany übernahm das Landwirtschaftsministerium, der dem Movimiento wenigstens nahe stehende Arias Salgado erhielt das neue Informations- und Tourismusministerium, Munoz Grandes kam als Heeresminister zu neuen Ehren. Das Movimiento und Gliederungen hatten nominell 900.000 Mitglieder - die meisten waren allerdings Karteileichen. Erziehungsminister Joaquín Ruiz Giménez war ebenfalls Parteimitglied, strebte aber eine Synthese aus katholischem Progressivismus und gemäßigtem Falangismus an. Hierbei hatte er einen gewissem Rückhalt in der erneuerungsbedürftigen Bewegung und das vor allem bei den verbliebenen faschistischen Intellektuellen und der studentischen SEU. Kritik kam hingegen von Rechtskatholiken und der Parteirechten. Die angepeilte Kreation eines militanten intellektuellen Katholizismus mit Anleihen bei den progressiven Programmpunkten der Falange wurde bis 1954 von dieser Allianz abgewürgt. Der Wirtschaftsboom, die Modernisierung, der Ausbau des Bildungswesens sowie die zunehmenden internationalen Kontakte ließen jedoch vermehrt ausländische Einflüsse ins Land kommen.

Im November 1951 schlug das Generalsekretariat eine Reorganisation und Repolitisierung der SEU vor. Das Studentensyndikat sollte die Studentenschaft zum akademisch gebildeten harten Kern der Bewegung erziehen, man griff auf den inhaltsschweren Begriff „Primera Línea“ zurück, also auf die militante und aktivistische Tradition der Ur-Falange. Zugleich versuchte die Parteiführung, auch die anderen Jugendorganisationen zu reaktivieren. Diese Verjüngung und Reaktivierung barg das Risiko eines neuen Radikalismus in sich, und diese Befürchtung der reaktionären Kräfte sollte sich bald bewahrheiten. Zwischen 1953 und 1954 zerschlug die Polizei eine Reihe linksfalangistischer Untergrundzirkel, und an den Universitäten regten sich oppositionelle Kräfte, was den Radikalisierungsdruck auf die SEU weiter erhöhte.

Der einzige Nationalkongress in der Geschichte der Einheitspartei fand im Oktober 1953 statt. Die Delegierten segneten die Defaschisierung und die Politik des Regimes ab. Unter heftigen Auseinandersetzungen zwischen Radikalen und „Modernisierern“ verabschiedete der Parteitag ein 23-Punkte-Aktionsprogramm, welches nicht weniger als die vollständige Syndikalisierung der spanischen Wirtschaft unter Hinweis auf das Gesetz von 1940 forderte. Konkrete Initiativen unterblieben jedoch, und selbst Girón zeigte sich deprimiert angesichts des Zustandes der Partei, der die Unzufriedenen immer weiter radikalisierte.

Versuch einer Staatsreform

Am 27. Januar 1954 demonstrierten die SEU-Aktivisten vor der britischen Botschaft in Madrid und forderten die Rückgabe Gibraltars. Zwar kamen derartige Kundgebungen recht häufig vor, aber aus ungeklärten Gründen erfolgte dieses Mal ein brutaler Polizeieinsatz, der heftige Straßenschlachten auslöste. Das Regime galt fortan selbst falangistischen Studenten als verräterisch, die Universitäten entwickelten sich zu einer Hochburg der Opposition. Im Jahresverlauf kam es zu weiteren SEU-Krawallen gegen das System und gegen die Reaktion. Die Vertrauensleutewahlen in den Betrieben im Februar 1954 zeigten ein Erstarken „krypto-linker“ Kandidaten. Im November 1954 traten monarchistische Kandidaten bei den Madrider Stadtratswahlen an, was zu massiven Gewalttaten radikaler Jungfalangisten führte. Allgemein löste das politische Erstarken der Monarchisten Besorgnis in der Bewegung aus, die sich von Reaktionären wie Linksradikalen bedrängt sah. Auf Druck der Basis wurde Fernández Cuesta bei Franco vorstellig, welcher versicherte, auch unter einem König werde das Regime auf den Idealen des Movimiento basieren. In linksfalangistischen Kreisen hoffte man gar auf eine nationalsyndikalistische Monarchie. Dennoch warnte die Junta Política Franco nachdrücklich vor jeden Zugeständnissen an Monarchisten oder katholische Reformisten, die ohnehin bereits Kultur, Bildung und Wirtschaftspolitik beherrschten. Vor allem im akademisch-intellektuellen Bereich fungierten die Katholiken als Bahnbrecher für deutlichere Systemkritik.

Als Spaniens Universitäten am 9. Februar 1955 den Tag des gefallenen Studenten (Matías Montero) begingen, kam es in Madrid zum Eklat. Als Fernández Cuesta die Zeremonie eröffnen wollte, zog die primera línea der SEU unter Radauszenen aus und beschimpfte den Parteichef als Verräter am Nationalsyndikalismus. Als der Rädelsführer, Fernando Elena, aus der SEU ausgeschlossen und der Uni verwiesen wurde, bestand die Antwort in einem Hochschulstreik. Neben Kommunisten und Sozialisten hatten sich hier gleich drei linksfalangistische Untergrundzirkel gebildet. SEU-Chef Jorge Jordana reichte seinen Rücktritt ein.

Im Jahresverlauf gab es weitere vor allem antimonarchistische Ausschreitungen. Die Unruhe erfasste auch einen aktivistischen Sektor der Partei. Allgemein wurde gegen die „bürgerliche und kapitalistische Monarchie“ gewettert. Schließlich preschte die politische Führung der Madrider Falange im Herbst 1955 mit einem Manifest voran: Die Falangisten wurden aufgerufen, die Syndikate zu erobern und zu radikalisieren. Ferner verlangten die Nationalsyndikalisten eine rücksichtslose Säuberung der Partei von Reaktionären, Opportunisten und Monarchisten, die Verstaatlichung der Banken und das passive Wahlecht nur für „echte“ Falangisten. Immer öfter tauchte der auf die erkleckliche Liste von Geistesgestörten und Debilen im Hause der spanischen Bourbonen anspielende Slogan „Wir wollen keine schwachsinnigen Könige“ an den Häuserwänden auf. Die Agitation richtete sich gegen den Kapitalismus und die Monarchie und forderte die Errichtung eines syndikalistischen Staates. Am 19. November randalierten Aktivisten der Falangejugend vor dem Escorial herum und machten sich öffentlich über Franco lustig. Auch bei den Gedächtnisfeierlichkeiten am Folgetag kam es - in Francos Gegenwart - zu Radauszenen junger Aktivisten. Der Diktator entließ José Antonio Elola, seit 1940 Chef der Parteijugend, sowie den unbequemen Vicén. Neuer Chef der Jugendorganisation wurde Jesús López Cancio Fernández, welcher nunmehr hier die Entfaschisierung und Entpolitisierung einleitete.

Im Februar 1956 kochten die Spannungen über, als es an der Madrider Uni zu schweren Zusammenstößen zwischen linken Studenten und SEU-Aktivisten sowie der Polizei kam. Hierbei wurde ein Falangist versehentlich von einem seiner Kameraden erschossen. Das Regime antwortete mit einer Repressionswelle, und die alarmierte Parteipresse machte auf die wachsende Opposition im Land aufmerksam. Die SEU und die Guardias de Franco bereiteten bereits Todeslisten vor, um mit der Opposition abzurechnen. Nur die Drohung der Armee, Recht und Ordnung gegen alle Unruhestifter zu schützen, verhinderte eine „Nacht der langen Messer“. Franco ließ die Universität vorübergehend schließen. Der Staatschef konnte die politischen Spannungen nicht mehr ignorieren. Ihm war auch bewusst, dass sich in der Bewegung selbst allerhand zusammenbraute.

Das Ergebnis war eine neue Kabinettsumbildung am 16. Februar 1956. Der altbewährte Arrese löste Fernández Cuesta als Parteiminister und Generalsekretär ab. Bildungsminister Ruíz Giménez wurde durch den Altfalangisten Jesús Rubio García Mina ersetzt, seine Anhänger mussten orthodoxeren Parteileuten weichen. Arrese war nicht eindeutig die erste Wahl, im Gespräch war auch Girón. Dieser verwies jedoch auf seine Kompromittierung durch die Bekämpfung der Syndikate und darauf, dass er nie eine Rolle im Movimiento spielte. Auf Bitte Arreses übernahm er allerdings das Vizesekretariat der Partei für Soziale Fragen. Giróns Wunschkandidat Ismael Herraiz, Chefredakteur des Parteiorgans „Arriba“, wurde jedoch nicht zum Propagandabeauftragten ernannt. Auch jetzt konnten sich die falangistischen Veteranen nicht auf eine einheitliche Haltung einigen. Arrese war klar, dass die Partei nicht durch administrative Maßnahmen reanimiert werden konnte. Er lehnte die gesamte Politik nach dem 2. Weltkrieg mit ihrem Reformismus und ihrem Monarchismus ab. Ganz richtig hielt er seine Ernennung für eine der letzten Möglichkeiten, die Bewegung zu einem stärkeren Machtfaktor im Regime zu machen. Zu seiner eigenen Überraschung erreichte Arrese Francos Zustimmung zur Berufung einer Art Programmkommission. Der Caudillo befürchtete ein Erstarken der Kommunisten und war daher ebenfalls an einer Erneuerung der Partei interessiert.

Arreses Programmkommission nahm im Mai die Arbeit auf. Ziel war die Erarbeitung von Reformvorschlägen, die als Grundgesetze in das francistische System eingebaut werden sollten. Das einzige radikale Mitglied war jedoch Luis González Vicén, zu erwähnen sind ferner noch Fernández Cuesta und Sánchez Mazas, einer der Mitbegründer der Urfalange. Ein erkennbarer Ruck ging durch die Partei, erstmals seit 1939 stiegen die Mitgliederzahlen wieder an. Im Juni schlug Vicén vor, den Consejo Nacional der Falange zu einer übergeordneten verfassungsgebenden Behörde auszubauen. Als Ausgleich war die vermehrte Direktwahl der Cortesabgeordneten angedacht. Als der Vorschlag nach hitzigen Debatten scheiterte, trat Vicén aus der Programmkommission aus.

Arrese stellte seine Reformpläne am 29. September 1956 in Salamanca vor. Der Generalsekretär strebte die Erarbeitung eines unabänderlichen und einigenden Grundsatzprogramms an, um den Zusammenhalt der Partei zu sichern. Ferner waren verbindliche Regelungen und Organisationsformen vorgesehen, da der improvisierende Caudillismo nicht über Francos Tod hinaus fortbestehen konnte. Eine Reihe von Grundgesetzen sollte das neue Staatsrecht schaffen und Spanien auf den Übergang zur Monarchie vorbereiten. Der König sollte herrschen, aber nicht regieren. Zu seinen Kompetenzen gehörte die Ernennung des Regierungschef (presidente del gobierno), der wiederum die Minister berief. Bei der Ernennung des auf 5 Jahre amtierenden presidente hatte der König den Präsidenten der Cortes und den Generalsekretär zu konsultieren. Der Regierungschef konnte nicht nur vom König, sondern auch vom Nationalrat der Bewegung abgesetzt werden. Dem Nationalrat musste er jederzeit Rede und Antwort stehen. Nach Francos Tod sollte der Generalsekretär automatisch stellvertretendes Staatsoberhaupt werden. Zudem war für ihn ein Vetorecht im Kabinett vorgesehen, und dieses Veto löste automatisch eine Vertrauensabstimmung des Nationalrates aus. Der Generalsekretär wurde durch den Nationalrat gewählt, die Wahl bedurfte der Bestätigung durch den König. War er bestätigt, so konnte eine Absetzung nur noch durch den Nationalrat erfolgen. Die Kabinettsminister waren einzeln den Cortes verantwortlich, die gegebenenfalls sogar den Regierungschef überstimmen konnten. Widersprach der Ministerpräsident einem Misstrauensvotum, war der Nationalrat zuständig, der faktisch zum Senat werden würde. Der Nationalrat konnte durch Vertrauensaussprache jedes Misstrauensvotum der Cortes aufheben. Waren die Cortes für die allgemeine Gesetzgebung zuständig, so oblagen dem Nationalrat die politische Fragen. Ferner hatte er als oberste Verfassungsbehörde das Vetorecht gegen alle Cortes-Gesetze und stand der Regierung hinsichtlich Politik, Verwaltung und Gesetzgebung beratend zur Seite. Teile des Nationalrates wurden vom König ernannt, andere von der Bewegung gewählt. Der Nachfolger Francos sollte keine direkte Führungsposition im Movimiento bekleiden. Als Grundsätze eines neuen Parteiprogramms waren Katholizismus, nationale Einheit, soziale Gerechtigkeit, Syndikalismus und moderater Kapitalismus vorgesehen. Armee, Kirche, Regierung, Politische Klasse und Kapital wehrten sich heftig gegen die Reformen, die dem Nationalrat und dem Generalsekretär der Falange eine Schlüsselstellung im Staat eingeräumt hätten.

Am 20. November 1956 sprach Arrese anlässlich des 20. Todestages von José Antonio im Radio und versprach, dessen politische Ideale in die Tat umzusetzen: „José Antonio...Bist Du mit uns zufrieden? Ich glaube nicht. Und ich glaube nicht, weil du gegen Materialismus und Egoismus kämpftest, während heutzutage die Menschen die Größe Deiner Worte vergessen haben, nur um wie durstige Verrückte den Pfad von Materialismus und Egoismus hinab zu laufen. Weil Du ein Vaterland von Poeten und von Träumern wolltest, die nach anderem Ruhm eiferten, während die Menschen nur ein sattes, dickleibiges Vaterland suchen, voll von Stärke, wobei es weder Schönheit noch Tapferkeit besitzt. Weil Du das Opfer predigtest, während die Menschen von einer Ecke zur anderen sehen, um sich zu verstecken. Weil Du Geld verachtet hast, während die Menschen nach Geld gieren und das Geschäft der Pflicht übergeordnet ist, und ein Bruder den Bruder verkauft, profitierend mit der Demut und den Prüfungen des Vaterlandes. Weil Menschen Deine Parole, besser zu leben, mit besser zurechtzukommen verwechseln. Weil der Geist fleischlich geworden ist, das Opfer zur Gefräßigkeit geworden ist und Brüderlichkeit zur Habsucht geworden ist. Weil Du einen Leichenzug von Tausenden von Märtyrern gerufen hast, auf dass sie uns als Maßstab und als Leitbild dienen, und noch haben die Menschen im Blut Deiner Nachfolger kein Beispiel gesehen, und sie finden seine Erinnerung unbequem, und sie fühlen sich belästigt, wenn wir in ihren Ohren, die aller Großzügigkeit verschlossen sind, unser einförmiges Beharren am Beispiel unserer Märtyrer wiederholen, bis zu dem Ausmaß, dass manche die Gefallenen als Plattform nutzen, die sie erklettern oder als ein Sprungbrett für Geschäfte und Selbstberuhigung nutzen. José Antonio, Du bist nicht mit uns zufrieden. Du, der uns von Deinem Platz aus beobachtest, von Deinem 20. November, mit einem tiefen Sinn für Melancholie und Verachtung. Du kannst nicht zufrieden sein mit diesem mittelmäßigen, sinnlichen Leben."

Niedergang

Arrese präsentierte dem FET-Nationalrat seine Reformvorschläge am 29. Dezember 1956, wo sie trotz großer Meinungsbreite nur von wenigen als Versuch, einen totalitären Staat zu schaffen, abgelehnt wurden. Der Generalsekretär rechnete den Kritikern vor, dass die Althemden trotz aller im politischen Kampf und im Bürgerkrieg gebrachten Opfer gerade 5 % der Spitzenposten in Regierung und Verwaltung besetzten: 2 von 16 Ministern, 1 von 17 Untersekretären, 8 von 102 Generaldirektoren, 18 von 50 Zivilgouverneuren, 8 von 50 Präsidenten der Provinzialversammlungen, 65 von 151 Nationalräten, 137 von 575 Cortesabgeordneten, 766 von 9155 Bürgermeistern und 3226 von 55960 Gemeinderäten. Die Entscheidung über die Verfassungsreform lag nun bei Franco, der von Bischöfen, Militärs und Bankiers mit Protesten überschüttet wurde. Als der Diktator die Vorlagen der Reformkommission zurückwies, verabschiedete Arrese sich resigniert als der aktiven Parteiarbeit. Proteste aufgebrachter Jungfalangisten in Madrid führten zu Verhaftungen. Vizegeneralsekretär Diego Salas Pombo führte die Geschäfte und konnte nur mit Mühe den Rücktritt fast sämtlicher Spitzenfunktionäre des Movimiento verhindern.

Nun erfolgte im Februar 1957 die Regierungsumbildung, die nächste große Umorientierung des Regimes. Mit Navarro Rubio im Finanz- und Alberto Ullastre im Handelsministerium übernahm der dubiose katholische Laienorden Opus dei die Führung der spanischen Wirtschaftspolitik und leitete die Angleichung an Westeuropa ein, die Spanien über den Assoziationsvertrag von 1970 letztlich in die EG führte. Navarro Rubio und Ullastre zogen Laurenco López Rodó nach, der bald die Nationalen Entwicklungspläne entwerfen sollte und beste Beziehungen zu Weltbank, IWF, WEU und OECD sowie zu spanischen Unternehmerkreisen unterhielt. Alle drei Opus dei-Leute waren strikte Antifalangisten. Drahtzieher der Machtverschiebung war Luis Carrero Blanco, Leiter von Francos Präsidialsekretariat. Arbeitsminister Girón wurde durch den trägen Fermín Sanz Orrio ersetzt, dieser verhängte einen Lohnstop, um die Inflation zu bremsen. Der vollkommen unfähige und farblose José Solís Ruiz löste Arrese als Generalsekretär ab, in Personalunion war er auch Nationaldelegierter der Syndikate.

Trotz wütender Proteste hatte die Falange als politische Kraft in Franco-Spanien ausgespielt. Das Movimiento hatte mit Partei, Arbeit, Bildung und Wohnungsbau nur noch 4 Ministerien inne. Sein Studentensyndikat SEU wurde organisatorisch von der Parteijugend getrennt und ebenfalls völlig entpolitisiert. Im Januar 1958 zerschlug die Polizei eine falangistische Untergrundgruppe in Madrid. Die Rebellen nannten sich nach Manuel Hedilla Hedellistas und hatten vor allem in den Jugendorganisationen Anhang. In Spanien häuften sich Schmieraktionen („Hedilla-JONS“), aber Manuel Hedilla hatte sich nach seiner Freilassung 1947 zurückgezogen. In Nordspanien bildete sich mit der Haz Ibérico eine weitere neofalangistische Gruppe. Schon Anfang 1959 zählten die falangistischen Oppositionszirkel 25.000 Mitglieder. Franco band den entlassenen Arrese als Wohnungsbauminister in die Regierung ein, damit er sich nicht an die Spitze der enttäuschten Falangisten stellte

Ein neues Parteiprogramm vom 29. Mai 1958 ersetzte die 26 puntos. Das neue, vage gehaltene Programm bezog sich auf katholische Grundsätze wie Patriotismus, nationale Einheit, Frieden, Katholizismus, Individualismus, Familie und Repräsentation durch lokale Vertretungen und die Syndikate. Als Franco die Vorlage in den Cortes vorstellte, fiel nicht einmal mehr José Antonios Name. Die Einweihung des Nationaldenkmals im Valle de los Caidos, wo kurz zuvor José Antonios Leichnam beigesetzt wurde, am 1. April 1959 war von falangistischen Radauszenen und Protesten begleitet. Bei den Feierlichkeiten des 20. November 1960 beschimpfte ein Aktivist den Staatschef mit den Worten „Franco, du bist ein Verräter!“ und wanderte postwendend für 5 Jahre ins Gefängnis.

Nachdem sein ehrgeiziges Wohnungsbauprogramm im Kabinett scheiterte, reicht Arrese im März 1960 seinen Rücktritt ein - Ende einer jahrelangen Karriere. Im Januar 1961 verschwand auch Alfredo Jiménez Millas, Vizegeneralsekretär und Parteiveteran, von der Bildfläche. Ersetzt wurde er übrigens durch einen Opus dei-Mann. Der Orden sickerte nun auch in die Reihen der Parteifunktionäre ein und stellte sogar mehrere jefes provinciales. Am 30. Januar 1962 erinnerte Chefredakteur Rodrigo Royo in „Arriba“ an die Ideen des alten Triumvirats José Antonio, Ledesma Ramos und Redondo Ortega und attackierte das aktuelle Triumvirat des Opus dei im Kabinett, das die Ideale des Bürgerkrieges für Auslandsinvestitionen verkaufe. Der widerborstige Journalist wurde umgehend entlassen. Dennoch hielt die Kampagne der Parteipresse gegen den Orden an. Franco erschien es phasenweise, als wären die Movimiento-Blätter die undiszipliniertesten Zeitungen Spaniens. An den Unis führte die SEU unter den „duros“ (Hardlinern) Rodolfo Martín Villa und Daniel Relgado ihr letztes Gefecht, eingezwängt zwischen Opus dei und der erstarkenden Linken. Das Studentensyndikat wurde folgerichtig am 5. April 1965 aufgelöst und durch einen unpolitischen Studentenverband ersetzt. Die Partei hatte vielleicht noch 172.000 Mitglieder, und hier sind bereits die Karteileichen mitgezählt. Ihre Führung nannte mehr als 900.000, doch diese Zahl kam nur durch Mehrfachmitgliedschaften und Einbeziehung von Veteranenverband, Frauenorganisation etc. zustande. An den Unis gab es zuletzt knapp 3300 SEU-Mitglieder.

Im November 1963 richtete eine Gruppe von 52 Altfalangisten um Lius González Vicén einen Brief an José Solis Ruíz, den FET-Generalsekretär und spanischen Chef der Einheitsgewerkschaft. In ihren Augen hatte das Regime auf sozialem Gebiet vollkommen versagt. Der Lohnstop von 1957 bei fortlaufendem Preisanstieg hatte sich in der Tat katastrophal auf die Einstellung der Arbeiterschaft ausgewirkt. Handelsminister Ullastres und Finanzminister Rubio wandten rücksichtslos in falangistischen Augen rückständige kapitalistische Theorien an. Die herrschende Technokratie war durch einen tiefen Graben vom Volk getrennt, und der Schiffbruch der machtlosen Staatsgewerkschaft habe die Arbeiter gezwungen, zu klassenmäßig organisierten Verbänden zurückzukehren. Hiermit waren die 1962 entstandenen Comisiones Obreros CCOO gemeint. Diese Arbeiterkommissionen wurden vom Staat geduldet, der andererseits aber nichts gegen die soziale Ungerechtigkeit unternahm. Hinter den CCOO standen anfänglich sowohl linkskatholische Kreise wie auch die nationalsyndikalistischen Circulos Doctrinales José Antonio. Diese halboffiziellen Zirkel wurden von Vicén geleitet, sie entstanden 1959 aus Jungfalangisten, Althemden und radikalisierten Aktivistinnen der Frauensektion. Mit „Es así“ hatten die Circulos ein eigenes Theorieorgan, in dem sie gegen das technokratische Regime agitierten. Im Mai 1964 erfolgte das Publikationsverbot, 1965 schied Vicén nach massivem Druck aus der bereits in 20 Städten aktiven Gruppe aus. An seiner Stelle setzte Diego Márquez Horrillo den Kampf fort. In den 70ern unterstützten die Zirkel die Demokratisierung, um freier arbeiten zu können. Narciso Perales organisierte die radikalere, völlig im Untergrund arbeitende Frente Nacional de Trabajadores, die sich auch eine Studentenorganisation zulegte. 1966 erfolgte die Abspaltung der Frente Sindicalista Revolucionario um Perales, an deren Spitze sich kein Geringerer als Manuel Hedilla stellte. Die FSR nahm an illegalen Streiks teil, agitierte im Proletariat und trug sich gar mit dem Gedanken des bewaffneten Kampfes gegen das reaktionäre Franco-System. Zerschlagen wurde hingegen eine zwischen 1964 und 1966 im Centro Social Manuel Mateo der Syndikate aktive Gruppe. Dieser Diskussionszirkel scharte sich um die Zeitschrift „Orden Nuovo“. Beteiligt waren Perales und der Parteidissident Cerefino Maestú, man unterhielt auch Kontakte zu den Kommunisten.

Im Herbst 1966 brachten die spanischen Vertrauensleutewahlen die Abrechung der unzufriedenen Arbeiter mit den staatlichen Organisationen. Vor allem in den Madrider Großbetrieben setzten sich die tolerierten Arbeiterkommissionen durch. Nun trat die illegale Kommunistische Partei auf den Plan. Die Kommunisten verdrängten und majorisierten zusehends die linkskatholischen oder nationalsyndikalistischen Gründer und strebten danach, auf dem Umweg über die Gewerkschaften ihre Machtposition auszubauen. Als Hedilla sich 1968 in Lateinamerika aufhielt, nutzte Perales die Gelegenheit zum Putsch. Gemeinsam mit dem Neofaschisten Blas Pinar gründete er die Frente Nacional Alianza Libre. Pinar unterhielt die einflussreiche Zeitschrift „Fuerza Nueva“, an der sich auch Persönlichkeiten wie Léon Degrelle und Horia Sima beteiligten. Von der FNAL spaltete sich 1970 nach dem Tod Hedillas die nach dem Theorieorgan benannte Gruppe Fuerza Nueva ab. Perales kehrte zur FSR zurück, die sich 1975 zugunsten diverser nationalsyndikalistischer Kleingruppen auflöste.

Im Madrider Teatro de la Comedia wurde am 29. Oktober 1968 eine Erinnerungsfeier anlässlich des 35. Jahrestages der Parteigründung abgehalten. Die Delegierten hielten sich mit ihrer vernichtenden Kritik an der apathischen Parteiführung nicht zurück; auch Altkader wie Raimundo Fernández Cuesta, José Luis Arrese, Ramón Serrano Suner und Manuel Hedilla meldeten sich zu Wort. Hedilla erklärte die Bewegung für tot und gescheitert, Serrano Suner empfahl gar die Selbstauflösung. Kurz darauf deutete sich mit einem neuen Vereinigungsrecht, das unter strengen Auflagen die Bildung politischer Vereinigungen im Rahmen des Regimes zuließ, die Liberalisierung an - Fernández Cuesta und Girón erkannten zu Recht, dass es sich hierbei um den Totenschein der Falange handelte. Bezeichnenderweise verschwand am 5. Januar 1969 der Untertitel „Organo de FET y de las JONS“ aus dem Parteiorgan „Arriba“. Ende Oktober 1969 bildete Franco erneut die spanische Regierung um und berief noch mehr Opus dei-Ordensbrüder ins Kabinett. Torcuato Fernández de Miranda, bislang Chef der Kulturabteilung des Movimiento und Verantwortlicher für die Nachwuchsausbildung, wurde neuer Generalsekretär. Der neue Mann war ein erklärter Nichtfalangist und ein Meister der Doppelzüngigkeit, wie sie für das Regime typisch geworden war. Nur wenige Wochen später, am 23. November 1969 erschoss sich auf der Madrider Plaza Santa Barbara der Altfalangist Francisco Herranz, um gegen die Marginalisierung der Bewegung zu protestieren.

Das Ende

Die Immobilität des Regimes, in dem alle Reformversuche auch des Movimiento verpufften (selbst Girón forderte mittlerweile die politische Liberalisierung, die apertura, als letzte Chance für eine Neubelebung des Falangismus), zeigte sich 1971: Vizegeneralsekretär Miguel Ortí Bordas, Befürworter einer politischen Öffnung und Demokratisierung, wurde abgelöst. Sein Nachfolger Manuel Valdés Larranaga war doppelt so alt und kannte José Antonio noch persönlich. Miranda reorganisierte zwar die Verwaltung und Struktur der Partei, nur fehlten politische Anweisungen. Die jefes provinciales waren mittlerweile auf sich allein gestellt, die Apathie verbreitete sich noch weiter. Ein Tag voller Symbolkraft war der 20. Dezember 1973, als die ETA Admiral Luis Carrero Blanco, Ministerpräsident und letzte Hoffnung des Regimes, mit einer Autobombe tötete.

Carrero Blancos Nachfolger wurde am 29. Dezember 1973 Carlos Arias Navarro zum spanischen Ministerpräsidenten. Der Pragmatiker, Verwaltungsfachmann und zuvor Bürgermeister von Madrid, wurde berufen, um ein radikales Vorgehen vor allem von General Iniesto Cano, dem Chef der Guardia Civil, zu verhindern. Die reaktionäre Rechte forderte den Belagerungszustand und eine eindeutige Militärdiktatur. Fernández de Miranda gab die Führung des Movimiento an José Utrera Molina ab. Utrera Molina sollte der erste und letzte Generalsekretär sein, der aus der Parteijugend kam. Vom Rest der Regierung, die das Parteiministerium und das Generalsekretariat abschaffen wollte, wurde er erbittert bekämpft. Unter dem (schon im nächsten Jahr abgelösten) Informationsminister Pio Cabanillas begann die liberalste Periode Franco-Spaniens. Die Partei reagierte mit einem letzten Aufbäumen, denn selbst ihre Reformer wollten nur eine gemäßigte Öffnung, während die Regierungsmehrheit weiter zu gehen gedachte. Zeichen der Zeit waren die Nelkenrevolution in Portugal vom April 1974 (Sturz des postfaschistischen Estado Novo), der Kollaps des Obristenregimes in Griechenland im Juli 1974 und der Tod des chinesischen Nationalistenführers Jiang Kaishek am 5. April 1975. Franco und sein Regime waren die letzten Relikte aus der Periode des Faschismus. Im Aus- wie Inland organisierten sich Kommunisten, Sozialisten und Christdemokraten zu Keimzellen späterer politischer Parteien, im Inland unterminierten der Terrorismus von Gruppen wie GRAPO, FRAP und ETA sowie die Wirtschaftskrise das Regime. Im Baskenland wie in Katalonien begehrte man erfolgreich gegen das Verbot der Regionalsprachen auf, und Spanisch-Westsahara ging an Marokko verloren.

Am 4. März 1975 entmachtete Navarro Miranda und die restlichen Hardliner im Kabinett unter Rücktrittsdrohung, der dahinsiechende Franco gab nach. Neuer Generalsekretär und Parteiminister wurde Fernando Herrero Tejedor mit Adolfo Suárez als Stellvertreter. Letzterer war ein klarer Parteigänger von Juan Carlos, während Herrero Tejedor dem Opus dei angehörte. Die neue Parteiführung machte sich an die Förderung einer politischen Pluralisierung, sie begann die Abwicklung des Movimiento. Die Verwaltungs- und Wirtschaftseliten hatten bereits ihr Augenmerk auf die Zeit nach Francos Tod gerichtet. Herrero verhinderte auch den Plan Giróns und Fernández Cuestas, eine neue Falange Espanola y de las JONS zu gründen. Als Herrero am 12. Juni 1975 bei einem Autounfall starb, folgte ihm erneut der unsägliche Solís nach. Suárez wurde entlassen und bekannte sich in seiner Abschiedsrede zur Errichtung einer parlamentarischen Monarchie unter Juan Carlos.

Am 20. November 1975 starb der Francisco Franco y Bahamonde an einer Entzündung der inneren Herzwände im 83. Lebensjahr; nur wenige Stunden vor der 39. Wiederkehr der Hinrichtung José Antonios. Dem Verfasser ist es im Übrigen unklar, wie fortschrittliche Nationalisten bis auf den heutigen Tag an Feierlichkeiten zur Erinnerung an die klerikal-reaktionäre spanische Modernisierungsdiktatur teilnehmen können. Als einziger Regierungsvertreter wachte Solís an Francos Bett, fast während des gesamten Todeskampfes weinend. Am Folgetag defilierten 400.000 Menschen am im Königspalast aufgebahrten Leichnam des Caudillo vorüber. Am 24. November 1975 wurde Franco ausgerechnet an der Seite José Antonios im Valle de los Caidos beigesetzt.

Don Juan Carlos wurde zum König von Spanien ausgerufen und versprach in seiner Thronrede dem Volk die Demokratisierung des Landes. Carlos Arrias Navarro blieb vorerst Regierungschef, und der konservative Demokrat Suárez wurde letzter Parteichef des Movimiento. Anfang Dezember betraute Torcuato Fernández de Miranda mit dem Amt des Kronratsvorsitzenden und Cortespräsidenten. Nun war der Weg für die Abwicklung des Franco-Staates und der Staatspartei frei.

Im März 1976 benannte sich der Verband der Bürgerkriegsveteranen in Verband der Bürgerkriegskämpfer um, um seine Einsatzbereitschaft zu demonstrieren. Präsident dieser Organisation mit ihren immerhin 500.000 Mitgliedern war der ehemalige Arbeitsminister José Antonio Girón de Valesco. Girón war zugleich Führer der rechtsradikalen Fuerza Nueva, als deren Chefideologe Blas Pinar fungierte. Aktivisten der Fuerza Nueva organisierten zu dieser Zeit Gegenterrorismus gegen die ETA und linke Gruppen, wobei sie mit den Sicherheitsorganen zusammenarbeiteten. Ferner machte sich Parteiveteran Fernández Cuesta mit einer Neubelebung der Falange Espanola de las JONS selbständig. Diese Gründung wurde übrigens auch vom Kabinett als Rechtsnachfolgerin des sterbenden Movimiento anerkannt. Als Sammelbecken der Nationalsyndikalisten entstand die Falange Espanola y de las JONS - auténtica unter Pedro Conde Soldana, welche sich deutlich an Hedillas und Ledesmas Linksfalangismus orientierte. Daneben entwickelten sich die ersten „neonazistischen“ Gruppen, unter ihnen die CEDADE.

Am 4. Juli 1976 ernannte Juan Carlos mit Adolfo Suárez González den jüngsten Ministerpräsidenten in der Geschichte Spaniens. Die neue Regierung war als Fachkabinett ohne Bindungen an das Movimiento oder die entstehenden Parteien konzipiert. Mit Rückendeckung der Armee führte Suárez die Demokratisierung des Landes durch und setzte Parlamentswahlen für das Jahr 1977 an. Am 5. November 1976 erfolgte die faktische Zerschlagung der falangistischen Syndikate: Das Gesetz zur Gewerkschaftsreform ließ neue Berufsverbände der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu, ohne die alten Syndikate formell aufzulösen. Suárez´ Reformen wurden per Volksabstimmung mit 94 % Mehrheit angenommen, wobei sich allerdings 23,4 % der Bevölkerung der Stimme enthielten. Erstmals in der Weltgeschichte hatte sich eine Diktatur selbst in eine Demokratie verwandelt.

Am 1. April 1977 erklärte Suárez das Movimiento Nacional für aufgelöst. Seine 35 Zeitungen und 45 Rundfunkstationen fielen an das Informationsministerium und wurden nach und nach privatisiert. Alle Familien-, Frauen-, Jugend- und Sporteinrichtungen wurden dem Ministerpräsidenten unterstellt, die 8000 Büros des Movimiento aufgelöst. Bei den ersten Parlamentswahlen seit 41 Jahren siegte am 15. Juni 1977 die Zentrumsunion, ein die Regierung unterstützendes Parteienbündnis. Die francistische Allianza Nacional scheiterte ebenso wie die Hedellistas mit 0,53 % bzw. 0,23 % der Wählerstimmen. Damit spielte der Nationalsyndikalismus keinerlei Rolle mehr im politischen Leben Spaniens. Soldanas Linksfalangisten sprachen sich bei der Volksabstimmung im Dezember 1978 für die neue Ordnung aus. Blas Pinar verbreiterte vorübergehend die Basis der immerhin 40.000 Mitglieder zählenden Fuerza Nueva und zog bei den Neuwahlen am 1. März 1979 für die francistische Unión Nacional ins Parlament ein. Insgesamt erhielt die Partei 2,11 % der Stimmen, in Madrid waren es 4,8 % und in Neukastilien 4,37 % (Toledo 7,3 %). Blas Pinar büßte seinen Sitz bei erneuten Neuwahlen am 28. Oktober 1982 ein, mit dem Regierungsantritt der Sozialisten um Felipe González begann endgültig eine neue politische Ära in Spanien. Seitdem spielt die francistische wie falangistische Rechte keinerlei Rolle mehr in der spanischen Politik, wenn man von gewissen profrancistischen Tendenzen in der konservativen Allianza Popular absieht.

Nach eigenen Angaben hat die spanische Falange heute gerade einmal tausend Mitglieder, und bei Wahlen kam sie nur auf etwa 25.000 Stimmen (Europawahl 2004 rund 13.000). Aus Gründen ihrer Erfolglosigkeit ging sie 2002 - in Fortsetzung der verhängnisvollen Allianz von 1936 - mit der katholisch-ständestaatlich orientierten Fuerza Nueva ein Bündnis ein, die Frente Espanol. Neben der Falange, also dem derzeitigen europäischen Bündnispartner der NPD, bestehen die Unabhängige Falange, die hedellistische Falange Auténtica und weitere nationalsyndikalistische Splittergruppen.

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