Zeitgeschichte + Hintergründe

 

Falange Espanola - Nationalsyndikalismus in Spanien

 

Teil 4: Radikalisierung (1934-1935)

Verfasser: Richard Schapke, im Mai 2004

 

Anlässlich des Aufstandes der asturischen Bergarbeiter organisierte die Falange am 7. Oktober 1934 in Madrid ihre erste echte Massendemonstration. Tausende schlossen sich der nicht genuin falangistischen, sondern patriotischen und für die staatliche Einheit Spaniens eintretenden Kundgebung an. José Antonio bot der rechtsbürgerlichen Regierung die Unterstützung in selbständigen Einheiten kämpfender Falangisten an, traf aber auf Zurückweisung. Die jefes provinciales wurden jedoch zur Zusammenarbeit mit Behörden und Armee angewiesen, um den Aufstand niederzuwerfen. Falangisten traten als Streikbrecher im öffentlichen Dienst und als Hilfstruppe in Asturien in Erscheinung, wobei 5 militantes fielen. José Antonio kritisierte im Anschluss, der Sieg über die linksgerichtete Revolte bleibe infolge der Mittelmäßigkeit der Regierung steril. Die Revolutionäre hätten immerhin an einen Mythos geglaubt, der auf der Regierungsseite vollkommen fehle. Kurz darauf formulierte José Antonio: "Wir wollen die Ordnung, aber eine andere Ordnung, von Grund auf anders. Das gegenwärtige soziale Herrschaftssystem...erscheint uns dem Wesen nach ungerecht. Wir waren gegen die Revolution wegen ihres marxistischen und antispanischen Charakters. Wir werden aber nicht verschweigen, dass die Verzweiflung der sozialistischen, syndikalistischen und anarchistischen Massen einem tieferen Beweggrund entspringt, an dem wir voll und ganz Anteil nehmen. Niemand übertrifft unseren Zorn und Ekel gegen eine soziale Ordnung, die nichts gegen den Hunger enormer Massen unternimmt und den süßen Müßiggang einiger weniger toleriert."

Die Ereignisse des Oktobers brachten der Bewegung den ersten deutlichen Mitgliederzustrom seit langem, bald zählten die Falange 5000 und die Gewerkschaft CONS 2000 Aktivisten. Ruíz de Alda und Ramiro Ledesma Ramos trugen sich mit utopischen Aufstandsplanungen bzw. dem Versuch, die momentane Schwächung der Linken auszunutzen und die Falange als revolutionäre Kraft zu profilieren. Die Partei sollte Massenagitation und drastischere Propaganda betreiben, flankiert durch direkte Aktionen gegen die bürgerliche Ordnung als Vorbereitung auf die nationalistische Revolution. Immer weiter versank Spanien im Chaos von politisch motivierter Gewalt, Streiks und Unruhen. Zwecks Radikalisierung des Nationalsyndikalismus trat Ledesma auch in Kontakt mit unzufriedenen Aktivisten der anarchistischen Kampfgewerkschaft CNT. Auch wenn José Antonio im November eine Mitarbeit im sich unter Calvo Sotelo formierenden rechtsreaktionären Blocque Nacional ablehnte und damit den Marqués de Eliseda als zweiten falangistischen Parlamentsabgeordneten zum Parteiaustritt provozierte, gärte es weiter innerhalb der Partei. Die Falange hielt der Reaktion vor, sich hinter gestohlenen faschistischen Termini zu verstecken, umgekehrt wurde sie von Eliseda öffentlich als ketzerische und antiklerikale Bewegung angegriffen.

Bereits im Dezember hatte die Frustration wieder Einzug gehalten. Die Propagandaarbeit hatte kaum Wirkung bei Anhängern der orthodoxen Rechten wie bei der Arbeiterschaft hinterlassen und die Mitgliederentwicklung stagnierte. José Antonio trug sich bereits mit Auflösungsgedanken, nur der Gedanke an die Gefallenen der Bewegung hielt ihn zurück. Als die Monarchisten ihre Hilfszahlungen einstellten, stand die Falange vor dem Ruin. Der Parteichef konnte sich nicht mit dem Vorschlag durchsetzen, dem Blocque Nacional Konzessionen zu machen. In den Reihen der Parteilinken zeigte man sich unzufrieden mit José Antonios moderatem Kurs, seiner permanenten Führungsschwäche und seiner Person als Ganzes. Zwar bekämpfe man gewaltsam die Linke, aber gegenüber der Rechten blieb es bei feindseligen Lippenbekenntnissen. Am 14. Januar 1935 erklärten Ramiro Ledesma Ramos, der Begründer des spanischen Faschismus, und der CONS-Führer Nicasio Álvarez de Sotomayor ihren Parteiaustritt. Die von ihnen angestrebte Neugründung der alten Juntas de Ofensivas Nacional-Sindicalistas scheiterte jedoch auf ganzer Linie. Ihre bedeutungslose Splittergruppe näherte sich auf deutsche Vermittlung im Frühjahr 1936 wieder der Mutterpartei an. Zwar war auch Onésimo Redondo Ortega an der Parteirevolte beteiligt, aber da man sich der Loyalität seiner Hausmacht in Valladolid nicht sicher sein konnte, verzichtete José Antonio auf ein Parteiausschlussverfahren.

Offensichtlich hatte er aus seinen vorangegangenen Fehlern gelernt, denn die Falange radikalisierte sich von nun an spürbar. Im Januar und Februar verkündete José Antonio im Parlament und vor Studenten: "Eines ist sicher: Eine Rebellion ist immer nur gegen sich schon ihrem Ende nähernde Regime ausgebrochen. Andererseits ist die Existenz einer energischen Minderheit vonnöten, die diese Schwäche, diesen Mangel an innerer Daseinsgrundlage des anzugreifenden politischen Systems erkennt und ausnutzt, und es mit mehr oder weniger Fortune zu stürzen versucht. (…) Das Mittel gegen das Zersetzungsübel liegt darin, dass man eine neue Einheitsidee sucht, darin, dass man Spanien erneut als Einheit, als harmonische Synthese über den Streit zwischen Völkern, Klassen und Parteien auffasst. Die Lösung steht weder rechts (wo man, um ein politisches Werk zu schaffen, den Hunger der Masse vergisst) noch links (wo man, um die Massen zu erlösen, sie von ihrer nationalen Aufgabe entfremdet). Wir wollen untrennbar nationale Einheit und echte soziale Gerechtigkeit wiederherstellen. Da wir aber, um dies zu erreichen, auf Widerstand stoßen werden, sind wir entschieden revolutionär, um ihn zu brechen. (…) Derjenige Staat, der sich nur auf die ehrbaren bewaffneten Institutionen stützt und keine geistige Zustimmung hervorruft, ist dazu verdammt, von seinen Feinden besiegt zu werden."

Im Februar avancierte der studentische Aktivist Agustín Aznar zum ersten jefe nacional der mittlerweile auf 5000 Mann angewachsenen Parteimiliz. Die Falange existierte in jeder Provinzhauptstadt, Hochburgen waren neben Madrid, Valladolid, Santander, Burgos und Sevilla die Provinzen Badajoz und Cáceres. Allerdings waren die Mitglieder oftmals zu jung und politisch schlecht geschult, und die Führungskader bestanden zumeist aus Freunden und Verwandten José Antonios, der gerne Loyalität über echtes Talent stellte. Da die Klüngelbildung auf Provinzialebene kopiert wurde, kam es zu parteiinternen Machtkämpfen. Mehrfach musste der jefe único persönlich gegen rechtsgerichtete Unterwanderung einschreiten, während umgekehrt anarchistische Elemente in die Bewegung einsickerten. Im März 1935 setzte eine Propaganda- und Veranstaltungsoffensive ein, wobei der Schwerpunkt nun bei den Kleinbauern des spanischen Zentrums lag und nicht wie unter Ledesma Ramos bei den städtischen Mittelschichten und dem urbanen Proletariat. Dennoch: Unter Eindruck des Oktoberaufstandes erfolgten eine stärkere Akzentuierung der linken Programmpunkte und die Radikalisierung der antikapitalistischen Propaganda. Zum einen diente dies zur Distanzierung von der Rechten, zum anderen der Verhinderung eines linken Umsturzes durch Gewinnung der ländlichen und städtischen Massen für die Nation.

Ab dem 21. März 1935 erschien mit der Wochenzeitung „Arriba“ endlich wieder ein Parteiorgan, welches allerdings von Juli bis Oktober verboten war. Die Mitte-Rechts-Parteien wurden energisch bekämpft, da das Scheitern der bürgerlichen Regierung den Weg für eine revolutionäre Situation frei machen würde: „Die konterrevolutionären Politiker sind so naiv, dass sie meinen, sie könnten auf diese Weise der Wirklichkeit ein Schnippchen schlagen. Es handelt sich um ein idiotisches Ansinnen. Denn, ob es uns gefällt oder nicht, das Zeitalter ist revolutionär und die spanische Lage ist akut revolutionär...Man muss blind sein, um nicht zu sehen, wie die ganze politische und ökonomische Struktur der kapitalistischen Welt kracht und knistert und wie von Tag zu Tag sich die zwei einzigen Lösungen - und beide sind revolutionär - abzeichnen: die Diktatur des Proletariats oder der Nationalstaat, der soziale Gerechtigkeit durchsetzt und dem Volk eine kollektive Aufgabe zuweist. Es gibt keine andere Wahl, ob es gefällt oder nicht. Jede konterrevolutionäre Flickerei führt nur dazu, die antinationale Revolution zuzulassen." Verzweifelt ging die Staatsgewalt gegen den politischen Extremismus vor, welcher öffentliche Ordnung und Wirtschaft unterminierte, und behinderte auch die Arbeit der Falange energisch. Im April sicherte José Antonio sich italienische Hilfsgelder, welche über den Presseattaché der italienischen Botschaft in Paris flossen.

Am 9. April 1935 sprach José Antonio vor dem Madrider Círculo Mercantil, einer Vereinigung von Kaufleuten und Unternehmern. "Dieses Großkapital also, dieses technische Kapital, dieses Kapital, das schließlich ungeheure Ausmaße annimmt, hat...mit dem Eigentum im ursprünglichen, menschlichen Sinne nichts zu tun, es ist vielmehr sein Feind. Wenn ich sehe, wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer in blutigen Kämpfen so weit gehen, sich auf offener Straße umzubringen, oder wie sie Attentaten zum Opfer fallen, in denen eine zügellose Grausamkeit zutage tritt, dann kommt mit häufig der Gedanke, dass beide Parteien gar nicht wissen, gar nicht ahnen, dass sie in Wirklichkeit an einer wirtschaftlichen Auseinandersetzung beteiligt sind, einer Auseinandersetzung allerdings, in der beide Parteien nahezu auf der gleichen Seite stehen, dass sie gar nicht ahnen, dass die Gegenseite, sowohl gegen Unternehmer als gegen Arbeiter gerichtet, die Macht des Kapitalismus, die Technik des Finanzkapitalismus ist...Gerade diese Hochfinanz siecht seit den letzten 5 Jahren dem Zusammenbruch entgegen, einem Zusammenbruch, der sich auf zweierlei Weise vollzieht: erstens in sozialer Hinsicht und zweitens durch die Technik des Kapitalismus selbst...In einer zukünftigen Entwicklung, die sehr revolutionär erscheint, dennoch aber sehr alt ist - denkt nur einmal an die Form der alten europäischen Korporationen - wird man so weit kommen, dass die Arbeit nicht mehr wie eine Ware veräußert wird, dass dieses bipolare Verhältnis endlich fallengelassen wird, damit alle, die an der Erfüllung der wirtschaftlichen Aufgabe beteiligt sind, alle, welche die nationale Wirtschaft bilden und vervollständigen, in vertikalen Syndikaten zusammengefasst werden. In diesen Syndikaten wird man weder paritätische Ausschüsse noch Verbindungsstücke benötigen, denn sie werden organisch arbeiten, so wie zum Beispiel das Heer funktioniert, ohne dass es jemandem einfiele, aus einfachen Soldaten und Offizieren paritätische Ausschüsse zu bilden....Gerade die totale Revolution, die totale Reorganisation Europas muss beim Individuum anfangen; denn schließlich war es das Individuum, das am meisten zu leiden hatte, als die Welt aus den Angeln gehoben wurde, das zu einem Atom wurde, ohne Persönlichkeit, ohne Substanz, ohne Inhalt, ohne eigentliche Existenz, denn schließlich war es das Individuum das zuletzt kam, als es darum ging, die Vorteile des Lebens wahrzunehmen. Die ganze Organisation, die ganze neue Revolution, die ganze Stärkung des Staates und die ganze wirtschaftliche Umstrukturierung wird nur das einzige Ziel haben, dass endlich auch die ungeheuren, durch die liberale Wirtschaft und durch den kommunistischen Versuch entwurzelten Menschenmassen in den Genuss dieser Vorteile kommen.
Und das nennt man Untergehen des Individuums im Staat? Im Gegenteil, das Individuum hat dann das gleiche Schicksal wie der Staat. Der Staat hat zwei klar umrissene Ziele, wie wir schon immer gesagt haben: eines nach außen hin, das Vaterland stark zu erhalten und zu behaupten, das andere nach innen, eine größere Anzahl Menschen glücklicher, menschlicher zu machen, sie intensiver am menschlichen Leben teilnehmen zu lassen. Und an dem Tage, an dem das Individuum und der Staat in totaler Harmonie vereint sind, wieder zur totalen Harmonie zurückgefunden haben, nur noch ein einziges Ziel, ein einziges Schicksal, ein einziges Los kennen, ja, an dem Tage kann der Staat stark sein, ohne zu tyrannisieren, denn nur dem Wohl und dem Glück seiner Untertanen wird er seine Stärke weihen. Das ist es, wozu sich Spanien in diesen Stunden aufraffen sollte: das Schicksal des Menschen und das Schicksal des Vaterlandes wieder in harmonischen Einklang zu bringen. Spanien müsste sich darüber klar werden, dass der Mensch nicht frei sein kann, nicht frei ist, wenn er nicht als Mensch leben kann, wenn man ihm nicht ein Existenzminimum zusichert; dass ihm dieses Existenzminimum nicht gewährt werden kann, solange nicht die Wirtschaft auf anderen Grundlagen aufgebaut ist, die es in stärkerem Maße ermöglichen, Millionen und aber Millionen von Menschen das Leben genießen zu lassen; dass die Wirtschaft nicht geordnet werden kann ohne einen starken Staat, der straff die Zügel führt; und dass es schließlich einen solchen starken Staat nur im Dienst einer großen Schicksalsgemeinschaft geben kann, nur im Dienst des Vaterlandes." Diese Prinzipien erschienen dem Falange-Führer als "der Schlüssel für die Existenz Europas
".

Wenig später, am 19. Mai, hielt er in Madrid eine weitere bedeutsame Grundsatzrede: "Wenn wir vom Kapitalismus sprechen...meinen wir nicht etwa das Eigentum. Das Privateigentum ist das Gegenteil des Kapitalismus. Das Eigentum ist die unmittelbare Projektion des Menschen auf die Dinge. Es ist ein grundlegendes Attribut des Menschen. Der Kapitalismus hat im Laufe der Zeit dieses Eigentum des Menschen durch das Eigentum des Kapitals verdrängt, des technischen Mittels zur wirtschaftlichen Beherrschung. Mit Hilfe der furchtbaren und ungleichen Konkurrenz zwischen Großkapital und kleinem Eigentum hat der Kapitalismus allmählich den Handwerksstand zugrunde gerichtet, die Kleinindustrie, das kleine Bauerntum. Er hat nach und nach alles...den großen Trusts in die Hände gespielt, den großen Bankkonzernen. Als Endergebnis bringt er Arbeitgeber und Arbeitnehmer...in die gleiche untermenschliche Lage eines Menschen, der aller seiner den Menschen kennzeichnenden Eigenschaften beraubt ist, all seines Lebensinhaltes...Es ist nun wirklich an der Zeit, nicht mehr dem Irrtum zu huldigen, die Arbeiterparteien müssten zwangsläufig gegen die Unternehmer eingestellt sein, und die Arbeitgeberparteien sähen ebenso notwendig in den Arbeitern ihre Feinde und Gegner im Kampfe. Arbeiter, Unternehmer, Techniker, Betriebsleiter bilden das Gesamtgerüst der Produktion. Ohne eigene Arbeit, durch kostspieligen Kredit, durch missbräuchliche Vorrechte der Aktionäre und Schuldbriefbesitzer reißt der Kapitalismus den besten Anteil an der Produktion an sich und bringt in gleicher Weise Arbeitgeber, Unternehmer, Organisationsleiter und Arbeiter an den Bettelstab und stürzt sie schließlich in den Abgrund....als Abendländer, Spanier und Christen müssen wir die Konstruktion einer neuen Ordnung beim Menschen, beim Individuum ansetzen. Wir müssen beim Menschen anfangen und durch seine organischen Einheiten hindurchgehen. So steigen wir vom Menschen zur Familie, von der Familie zur Gemeinde und auf der anderen Seite zum Syndikat empor. Oben gelangen wir schließlich zum Staat, der die Harmonie des Ganzen sein wird. In dieser politisch-historischen Konzeption, mit der wir die Welt betrachten, haben wir somit implizit die Lösung für die Wirtschaft. Wir werden den ökonomischen Apparat des kapitalistischen Eigentums, das allen Gewinn verschlingt, demontieren, um ihn zu ersetzen durch das individuelle, familiäre, kommunale und syndikale Eigentum...Es gibt keinen fruchtbaren Patriotismus, wenn er nicht auf dem Wege der Kritik zustande kommt. Ich sage euch, dass auch unser Patriotismus auf dem Wege der Kritik entstanden ist. Uns bewegt überhaupt nicht jener possenhafte Hurrapatriotismus, der an den Mittelmäßigkeiten, an den gegenwärtig in Spanien herrschenden Schäbigkeiten und an den ungehobelten Interpretation der Vergangenheit Vergnügen findet...Ihr werdet schon sehen, dass wir die Würde des Menschen wiederherstellen, um auf ihr die Würde aller Institutionen wiederherzustellen, die zusammen das Vaterland bilden." Die Rede enthielt eine klare Absage an die Restauration der Monarchie: "Die spanische Monarchie hat ihren Zyklus erfüllt, sie endete ohne Substanz und gab sich am 14. April 1931 als leere Hülse auf. Wir haben diesen Fall mit der Emotion festzustellen, die er verdient, und haben höchsten Respekt für die monarchistischen Parteien, die im Glauben an die Möglichkeiten der Zukunft die Menschen zu ihrer Wiedereroberung führen, aber - obwohl es uns bedrückt und obwohl sich im Inneren einige Gefühlsreserven und respektable Sehnsüchte immer wieder erheben - wir können der Jugend keinen frischen Impetus verleihen, welcher uns zur Wiederherstellung einer Institution führt, die wir für ruhmreich dahingeschieden ansehen."

Im Juli legte José Antonio im Parlament die Haltung der Partei zur drängenden Agrarfrage dar. Auf dem Land standen wenige steinreiche Großgrundbesitzer einem kopfstarken Agrarproletariat von Saisonarbeitern und Kleinpächtern gegenüber. Als Lösung propagierte die Falange nichts Geringeres als eine revolutionäre Agrarreform. Der Großgrundbesitz wurde zu einer Eigentumsform der Vergangenheit erklärt; er sollte zwecks Ansiedlung der hungernden Massen auf kultivierbarem Boden enteignet werden. Gegen die gegen die Agrarreform von 1932 gerichteten Maßnahmen der Regierung richtete sich heftige Kritik, José Antonio hielt der Republik vor, dass ihre Landreform bereits im Stadium der Bekanntgabe gescheitert sei.

Ebenfalls im Juli 1935 trat die Junta Política, der Parteivorstand, in El Parador de Gredos zu einer heimlichen Sitzung zusammen. Man diskutierte den Gedanken, durch einen falangistischen Aufstand ein Fanal zu setzen. Die Aussichtslosigkeit des Unterfangens war klar, aber eine Bewegung, zu deren Grundsätzen die Betonung des persönlichen Dienstes und Opfers gehörte, konnte durchaus hoffen, die Solidarisierung von Teilen des Militärs auszulösen. Fortan bereitete die Falange sich gezielt auf die Möglichkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung vor und zog offenbar auch einen offenen Bürgerkrieg in Betracht. "Wir haben schon gelernt, dass die Masse sich selbst nicht erlösen kann, und dass die Führer keine Entschuldigung haben, wenn sie desertieren. Die Revolution ist Aufgabe einer entschlossenen, nicht zu entmutigenden Minderheit...Der Führer darf dem Volk nicht gehorchen, er hat ihm zu dienen. Das ist etwas völlig anderes. Dem Volk dienen heißt die Befehlsverhältnisse zum Wohle des Volkes klären und auch dann für das Wohl des Volkes sorgen, wenn es selbst seine Aufgabe nicht erkennt. Dem Volke dienen heißt sich in Übereinstimmung mit dem geschichtlichen Schicksal des Volkes fühlen, auch wenn es im Gegensatz zu dem Fühlen und Wünschen der Masse steht."

Mitte November 1935 hielt die Falange ihren 2. Nationalkongress in Madrid ab. José Antonio stellte die überraschende Idee einer Zusammenarbeit mit CEDA und Blocque Nacional in der “Nationalen Front” vor, die sich als Gegengewicht zur Volksfront der Linken formierte - im Februar 1936 standen angesichts des Scheiterns der bürgerlichen Regierung Neuwahlen an. Die Parteiführung attackierte den Liberalismus als "kapitalistisches System in seiner politischen Form", womit sie sich an den Standpunkt der Kommunisten annäherte. Zu den Forderungen der Partei gehörten die nationale Revolution, Bekämpfung des "linken Faschismus" der Volksfront, Agrarreform, Verstaatlichung der Banken, Brechung des kapitalistischen Einflusses in allen Sektoren, Bekämpfung der Aktiengesellschaften sowie Zwangszusammenlegung von konkurrierenden Unternehmen im Dienstleistungssektor. Die Mitarbeit in der Nationalen Front hatte lediglich das Ziel, um Stärke für die Umsetzung des falangistischen Programms zu gewinnen - wieder einmal befleißigte José Antonio sich einer schizophrenen Vorgehensweise. Allerdings scheiterten zunächst alle Verhandlungen mit der rechtskatholischen CEDA an gegenseitigen Vorbehalten. Falangeseitig beharrte man auf seiner Unabhängigkeit, da die Bewegung sich nicht als Guerrillastreitmacht anderer politischer Kräfte einsetzen lassen wollte. Der Parteivorstand hätte ohnehin nur regionalen und lokalen Wahlbündnissen zugestimmt, jedes weitere Entgegenkommen José Antonios hätte eine neue Parteirevolte ausgelöst.

Am 21. November wetterte der jefe único im Parlament gegen den Einfluss ausländischen Kapitals und ausländischer Fachleute, der einer Kolonisierung Spaniens gleichkomme: "Gegen die bürgerliche, individualistische Wirtschaft erhob sich die sozialistische, die die Gewinne der Produktion dem Staat zuschrieb, das Individuum versklavend...Gegen sie beide errichten wir die syndikalistische, die weder die individuelle Persönlichkeit im Staat absorbiert noch den Arbeiter in ein entmenschlichtes Teil des bürgerlichen Produktionsmechanismus verwandelt. Diese nationalsyndikalistische Lösung hat die fruchtbarsten Auswirkungen hervorzubringen. Sie wird mit einem Mal Schluss machen mit den politischen Vermittlern und mit den Parasiten. Sie wird die Produktion von den bedrückenden Lasten des Finanzkapitals befreien. Sie wird ihre Anarchie überwinden, indem sie sie ordnet. Sie wird die Spekulation mit den Produkten verhindern, einen einträglichen Preis garantierend. Sie wird vor allem den Zugewinn weder dem Kapitalisten noch dem Staat, sondern dem in seinen Syndikaten organisierten Produzenten zuweisen.“

Zum Jahresende formulierte José Antonio die düster entschlossenen Worte: "Die Massen unterscheiden nicht. Sobald sie stark wurden, rissen sie alles ohne Unterschied mit sich fort. Die Welt ist zwischen extremen Positionen zu dem grausamen Kampf unserer Tage gelangt. Die Demokratie, Tochter des Liberalismus, hat ihren Vater getötet. Daran wäre nichts Schlechtes. Das Schlimme ist nur, dass sie auf dem rechten Weg ist, auch die Freiheit zu töten. Um sie zu retten, muss zu den ursprünglichen Kämpfen zurückgekehrt werden: Zur Stärke."

 

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