![]() |
�
Die politische Wochenschau
�
vom 25. Juni bis 1. Juli 2005
Zitat der Woche: |
"Erst, wenn das deutsche Volk sich von seinen kapitalistischen Ketten befreit, kann es Deutschland von seinen Ketten befreien, kann ein freies Deutschland dem freien deutschen Volk geh�ren! Die KPD/ML ruft das deutsche Volk dazu auf und f�hrt es dabei an, zum ersten Mal in seiner Jahrhunderte langen Geschichte von Unterdr�ckung, Ausbeutung und Kriegen selber von seinem Deutschland, dass nur ihm und sonst keinem auf der Welt geh�rt, endlich Besitz zu ergreifen ! Nur ein wieder aufbl�hendes deutsches Volk kann Deutschland wieder aufbl�hen lassen! In einem kapitalistischen Deutschland aber ist das deutsche Volk zum Dahinsiechen verdammt, kann es dem deutschen Volk nicht dienen! Wenn aber kein kapitalistisches Deutschland, wie soll denn das Deutschland ohne Kapitalisten aussehen? Welches Deutschland braucht das deutsche Volk denn, um sich die Kapitalisten ein f�r allemal vom Halse zu schaffen und vor allem vom Halse zu halten? Genossinnen und Genossen der KPD/ML, ihr wisst sehr gut, welches Deutschland das ist, aber wei� es auch das deutsche Volk? Wenn ihr es dem deutschen Volk nicht sagt, wer soll es ihm denn sonst sagen? Das deutsche Volk braucht ein sozialistisches Deutschland, um sich aus seiner elenden Lage zu befreien!" |
- Wolfgang Eggers, KPD/ML, Herbst 2004 |
Die 2. Runde der iranischen Pr�sidentschaftswahlen entschied unerwartet deutlich der Hardliner Mahmud Ahmadinejad, seines Zeichens B�rgermeister von Teheran, f�r sich. Mit fast 62 % der Stimmen verwies er seinen gem��igt konservativen Rivalen Akhbar Hashemi Rafsanjani auf den zweiten Platz. Ahmadinejads Sieg wurde im Westen und bei iranischen Reformen mit Best�rzung aufgenommen. Auch der korrupten F�hrungsschicht der Islamischen Republik d�rfte der Wahlausgang nicht ganz genehm sein, da der neue Mann im Wahlkampf ank�ndigte, gr�ndlich mit Misswirtschaft, �konomischer Liberalisierung und sozialer Ungerechtigkeit aufzur�umen. Das designierte neue Staatsoberhaupt erkl�rte, man werde eine „Regierung der Ver�nderung und der Gerechtigkeit“ bilden. Trotz steigender �leinnahmen leidet das Land unter einer Arbeitslosigkeit von offiziell 30 % und einer galoppierenden Inflation. Mit Ahmadinejad hat der Iran erstmals seit 23 Jahren ein Staatsoberhaupt, das nicht aus den Reihen der schiitischen Geistlichkeit kommt. Allerdings fungierte er in den 90er Jahren als Kommandeur der paramilit�rischen Revolutionsw�chter. Rund 40 % der W�hler stimmten mit den F��en ab, n�mlich gar nicht: Sie blieben zuhause. Neben den USA und Gro�britannien kritisierte auch die Bundesregierung den Wahlausgang, signalisierte jedoch bereits in Richtung Teheran, dass die EU auch weiterhin an einer Verhandlungsl�sung des Atomstreits mit dem Iran interessiert sei. In diesem will der neue Mann in Teheran allerdings aus einer Position der St�rke verhandeln, vor allem ist er explizit an einer Verbesserung des Verh�ltnisses zu den USA desinteressiert. Russlands Pr�sident Putin hingegen k�ndigte an, man werde die nukleare Zusammenarbeit mit dem Iran fortsetzen und gratulierte Ahmadinejad zum Wahlsieg. F�r Unruhe im Westen d�rfte vor allem die Ank�ndigung des Wahlsiegers sein, s�mtliche Vertr�ge mit ausl�ndischen �lkonzernen zu �berpr�fen und gegebenenfalls neu zu verhandeln. In den USA stieg der �lpreis erstmals �ber 60 Dollar je Barrel.
�
Mit 31,2 % der Stimmen hat die Sozialistische Partei (BSP), die mit anderen Parteien in der „Koalition f�r Bulgarien" angetreten war, bei den Parlamentswahlen ihren Stimmenanteil gegen�ber 2001 verdoppelt. Auf Platz zwei landete mit 19,9 % % die Nationale Bewegung Simeon II. (NDSW) des Regierungschefs und Ex-Monarchen Simeon Sakskoburggotski, die die H�lfte ihrer W�hler verlor. Dritte Kraft wurde Simeons bisheriger Koalitionspartner, die Bewegung f�r Rechte und Freiheiten (DPS). Mit 12,5 % gewann diese Vertretung der t�rkischen Minderheit 5 Prozentpunkte hinzu. Die �berraschung der Wahlen ist die neue Gruppierung Ataka. Die rechtsradikale Protestpartei, die mit Parolen wie „T�rken und Roma raus!" geworben sowie den Austritt aus der NATO und Nachverhandlungen des EU-Beitrittsvertrages gefordert hatte, kam aus dem Stand auf 8,2 % und ist viertst�rkste Partei. Auch drei Parteien bzw. B�ndnisse der zersplitterten konservativen Rechten schafften den Sprung ins Parlament: Union der Demokratischen Kr�fte 7,8 %, Demokraten f�r ein starkes Bulgarien 6,5 % und Bulgarischer Nationalbund 5,2 %. Die BSP wird wohl in jedem Fall mit der t�rkischen Partei koalieren, vielleicht verbreitert sie die Regierung auch um die Nationale Bewegung. Ataka-Chef Wolen Siderow k�ndigte derweil an: „400.000 Menschen haben uns gew�hlt, das sind keine Faschisten, sondern ehrenwerte Patrioten. Wir werden im Parlament die nationalen bulgarischen Interessen vertreten.“ Privat ist Siderow, ehemaliges Mitglied der Union der Demokratischen Kr�fte, wohl als gro�bulgarischer Nationalist einzustufen, in der �ffentlichen Politik verfolgt er eine relativ zur�ckhaltende Linie und ist um Distanz zu Faschismus und Nationalsozialismus bem�ht.
�
Zum ersten Mal seit 1993 empfing ein franz�sischer Premierminister Vertreter des Front National zur politischen Aussprache an seinem Amtssitz Hotel Matignon in Paris. Premier Dominique de Villepin (UMP) begr��te die Chefs s�mtlicher politischer Parteien zu einer Aussprache nach der Ablehnung des europ�ischen Grundgesetzes durch die Franzosen. Die Verfassung war im Rahmen einer Volksabstimmung am 29. Mai von knapp 56 % der W�hler abgelehnt worden. Heftige Kritik l�ste der Empfang bei Vertretern der Linksopposition aus. Der ehemalige sozialistische Finanzminister Dominique Strauss-Kahn warf de Villepin wie Innenminister und UMP-Chef Nicolas Sarkozy eine „Strategie der Ann�herung an die rechtsextreme W�hlerschaft" vor. Sarkozy bezeichnete die Einladung der rechtsextremen Partei Jean-Marie Le Pens als „durchaus normal". „Der Premierminister hat entschlossen, alle politischen Kr�fte einzuladen, die in der Nationalversammlung, im Senat oder im Europaparlament vertreten sind. Gibt es einen Grund, vom franz�sischen Volks gew�hlte Vertreter abzulehnen? Wenn man beschlie�t, die gew�hlten Vertreter zu empfangen, dann empf�ngt man sie alle und nicht nur jene, die einem gefallen." Sarkozy hatte als Innenminister bereits im Jahr 2003 Vertreter der FN zu Beratungen �ber die Reform des Regionalwahlgesetzes empfangen. Im Jahr 1993 hatte der damalige Premier Edouard Balladur (RPR, nunmehr UMP) Jean-Marie Le Pen im Hotel Matignon empfangen. Dagegen hat Pr�sident Jacques Chirac (UMP) den Front National stets von allen Aussprachen ausgeschlossen. Chirac war stets ein Verfechter der „republikanischen Front", wonach linke und konservative Parteien gemeinsam jeden Kontakt mit der FN verwehren.
�
Auf die in letzter Zeit arg strapazierten italienisch-amerikanischen Beziehungen kommt neues Ungemach zu. Der Mail�nder Richter Chiara Nobili stellte Haftbefehle gegen 13 Angeh�rige des US-Auslandsgeheimdienstes CIA aus. Die Beteiligten hatten im Februar 2003 einen angeblichen islamischen Extremisten in Mailand gekidnappt und ins Ausland verschleppt. Entf�hrt wurde der Exil-�gypter Osama Mustafa Nasr, den man zwecks Folterung umgehend an die �gyptischen Sicherheitsorgane �bergab. Beteiligt an der illegalen Aktion war auch US-Milit�rpersonal von den Luftwaffenst�tzpunkten Aviano in Norditalien und Ramstein in der BRD. Mit der Entf�hrung verletzten die Amerikaner die nationale Souver�nit�t Italiens und behinderten dar�ber hinaus die Ermittlungen der italienischen Geheimdienste. Eine parlamentarische Kontrollkommission soll pr�fen, ob und inwieweit italienische Dienste von der Entf�hrung wussten. Dazu sollen auch Innenminister Giuseppe Pisanu und Verteidigungsminister Antonio Martino geh�rt werden. Ministerpr�sident Berlusconi bestellte den amerikanischen Botschafter Sembler ein und verlieh seiner Missbilligung eindeutigen Ausdruck. Offenbar f�hlten die US-Geheimdienstler sich etwas zu sicher, denn sie operierten ohne jegliche Vorsichtsma�nahmen (Klarnamen, Mobilfunktelefone). Derartige Entf�hrungsaktionen werden von den USA seit Mitte der 90er Jahre praktiziert, alleine seit den Terroranschl�gen vom 11. September 2001 verschleppten die Amerikaner rund 100 ausl�ndische Staatsangeh�rige in Foltergef�ngnisse „befreundeter“ Staaten oder auf die offenbar vor Diego Garcia im Indischen Ozean kreuzenden illegalen Gef�ngnisschiffe. Mit Nobili hat sich erstmals ein Richter eines mit den USA verb�ndeten Landes gegen die Vorgehensweise der CIA gewandt. Allerdings haben alle Beschuldigten, die �brigens offiziell als Konsularpersonal t�tig waren, bereits Italien verlassen. Ihnen folgt nun ein internationaler Haftbefehl. �hnliche Untersuchungen wie in Italien laufen bereits in Kanada, Schweden und der BRD. Die italienischen Haftbefehle stehen im starken Kontrast zum Vorgehen der bundesdeutschen Beh�rden: Im Fall der Entf�hrung des BRD-Staatsb�rgers Khaled el Masri Ende 2003 durch CIA-Mitarbeiter nach Afghanistan strebte die M�nchner Staatsanwaltschaft zwar intensiv nach Aufkl�rung. Doch die Bundesregierung war bisher bem�ht, den Fall unter den Teppich zu kehren, um die Beziehungen zu Washington nicht erneut zu belasten. Die Amerikaner, hei�t es inzwischen, h�tten das Kidnapping einger�umt, weil man el Masri mit einem namensgleichen Terrorverd�chtigen verwechselt habe. Immerhin bequemte sich das Bundesjustizministerium nunmehr, ein Rechtshilfeersuchen an die USA weiterzuleiten.
�
Nach langem Warten auf die Stimmen der vor allem in Ibero-Amerika lebenden Auslandsw�hler (300.000, �brigens ist Fidel Castro ein Nachkomme von galicischen Auswanderern) steht das Ergebnis der Regionalwahlen im spanischen Galicien fest. Mit Ministerpr�sident Manuel Fraga Iribarne verschwindet das letzte �berbleibsel des Franco-Regimes aus einer Regierungsfunktion. Frage Iribarne begann seine Karriere unter dem Caudillo als Tourismus- und Innenminister. Die hier als besonders rechtsgerichtet geltende konservative Volkspartei fiel angesichts eines weit verbreiteten Unmuts �ber Iribarnes Regierungsstil von 52 auf 44,9 % der Stimmen zur�ck und stellt nunmehr nur noch 37 Abgeordnete – die seit 16 Jahren behauptete absolute Mehrheit ist verloren. Die Sozialisten legten stark zu und verbesserten sich auf 32,5 % (+ 11,7 Prozentpunkte) und 25 Mandate (+ 7). Der Bloque Nacionalista Gallego, die galicische Regionalpartei, behauptete zwar seinen Stimmenanteil bei knapp 20 %, verlor aber 4 Sitze und ist nur noch mit 13 Abgeordneten im Regionalparlament vertreten. Derzeit befindet sich der BNG wegen interner Querelen in einem angeschlagenen Zustand, selbst den eigenen Spitzenkandidaten warf man kurz vor Bekanntgabe des Wahltermins aus der Partei. Der neue Parteichef Anxo Quintana ist alles andere als unumstritten, daher gaben viele W�hler lieber den Sozialisten ihre Stimme. Die kommunistische Vereinigte Linke setzte die Serie ihrer Wahlniederlagen fort und blieb mit 0,8 % und 12.000 Stimmen bedeutungslos. Neuer Regierungschef Galiciens d�rfte der Sozialist Emilio P�rez Tourino werden, der sich auf eine Koalition mit dem BNG st�tzen kann. Damit haben die spanischen Konservativen innerhalb der 15 Monate nach Amtsantritt ihres neuen Parteichef Mariano Rajoy bereits die vierte Wahl verloren: Parlamentswahlen, Europawahlen sowie die Regionalwahlen im Baskenland und in Galicien. Galicien ist eine von drei spanischen Regionen mit besonderem Autonomiestatut. Die separatistischen Tendenzen sind in der Region n�rdlich von Portugal aber weniger stark ausgepr�gt als im Baskenland oder Katalonien. Die Galicier sprechen eine eigene Sprache, die eng mit dem Portugiesischen verwandt ist. Die von 2,5 Millionen Menschen bewohnte Region galt im Mittelalter als Ende der Welt („Finisterre"), wegen der �rmlichen Lebensumst�nde und ihrer exponierten Lage brachte Galicien viele Seefahrer und Emigranten hervor.
�
Mit dem ehemaligen baden-w�rttembergischen Landesvorsitzenden Ulrich Maurer ist ein weiterer prominenter Sozialdemokrat der Linkspartei WASG beigetreten. Oskar Lafontaine freute sich: „Der Entschluss in die WASG einzutreten ist ein Gewinn. Ein wirklicher Politikwechsel ist nur mit der WASG und der neuen Linkspartei m�glich." Das sieht die SPD naturgem�� anders. So bezeichnete der SPD-Fraktionsvorsitzende im baden-w�rttembergischen Landtag, Wolfgang Drexler, Maurers Austritt in einer Pressemitteilung als „im h�chsten Ma�e bedauerlich und zugleich entt�uschend". Drexler weiter: „Das Austrittsschreiben Maurers ist gepr�gt von einem unertr�glich selbstgerechten Tonfall, der in weiten Teilen unter die G�rtellinie geht. Da rechnet einer ab, in dem sich viel Bitterkeit angestaut hat." Maurer hatte in einem offenen Brief Ende Mai die SPD zur Umkehr aufgerufen: „Wenn die SPD �berleben will, muss sie umkehren und der Beginn von Umkehr ist die ehrliche Bilanz und die Abwahl derer, die eine ganze Partei dem Denken des Neoliberalismus und der uniformierten Meinung des gr��ten Teils der Medienindustrie unterworfen haben, weil man ja wie Gerhard Schr�der so treffend bemerkte, zum Regieren nur Bild und die Glotze braucht." Da Maurer sein Landtagsmandat nicht zur�ckgibt, ist die WASG somit erstmals in einem L�nderparlament vertreten. Der Renegat erkl�rte, er werde den diesbez�glichen Aufforderungen der SPD nicht nachkommen: „Ich vertrete noch immer die Programmatik und �berzeugungen, f�r die ich gew�hlt worden bin. Wenn die SPD ihre Inhalte ge�ndert hat, ist das nicht mein Problem." Maurer zeigte sich �berzeugt, mit dem neuen Linksb�ndnis die richtige Wahl zu treffen: „Ich glaube, dass die neue Linkspartei die einzige Chance ist, den Durchmarsch von Neoliberal und Schwarz-Gelb in Deutschland noch zu verhindern.“ In seinem Abschiedsbrief an den SPD-Landesverband schie�t Ulrich Maurer noch einmal scharf gegen die Partei, die er mehr als drei Jahrzehnte lang mitgepr�gt hat. Die SPD befinde sich in einem Deformationsprozess. Bundeskanzler Gerhard Schr�der habe einen „Putsch von oben" inszeniert, bei dem die einfachen „Parteimitglieder in die Rolle einer auf Kommando applaudierenden Veranstaltungskulisse" gedr�ngt w�rden. Auch der Vorsitzende der „T�rkischen Gemeinde in Deutschland“, Hakki Keskin, erkl�rte gestern Parteiaustritt. „Ich kann mich seit Jahren mit der Politik der SPD nicht mehr identifizieren", teilte der ehemalige Hamburger B�rgerschaftsabgeordnete mit. Es habe nichts mehr mit Glaubw�rdigkeit zu tun, wenn die SPD j�ngst noch die Unternehmenssteuern senken wollte und dann „aus wahltaktischen Gr�nden" eine Million�rssteuer vorschlage. Keskin wird auf einer Offenen Liste der PDS kandidieren.
�
Der Konzentrationsprozess in der bundesdeutschen Wirtschaft l�uft auf Hochtouren: Im ersten Halbjahr 2005 hat das Volumen von Fusionen und �bernahmen in der BRD den h�chsten Stand seit 5 Jahren erreicht. Gegen�ber dem Vorjahreszeitraum verdoppelte sich das Volumen aller Transaktionen mit bundesdeutscher Beteiligung auf 98,6 Milliarden Dollar. Gestiegen ist nur die Summe der Transaktionen, die Zahl der �bernahmen und Fusionen blieb jedoch stabil. Der gr��te Zusammenschluss war die �bernahme der Hypo-Vereinsbank durch den italienischen Finanzriesen Unicredit, Volumen 18 Milliarden Dollar. Auf den weiteren Pl�tzen folgt der Verkauf von Heidelberg Cement an Spohn Cement und die Ver�u�erung der Eon-Immobilientochter Viterra an die Deutsche Annington Immobilien. Dominierend ist die �bernahme bundesdeutscher Firmen oder Firmenteile durch ausl�ndische Investoren, aber auch BRD-Unternehmen werden auf diesem Sektor im Ausland zusehends aktiver. Den L�wenanteil der Transaktionen wickelte die amerikanische Citigroup ab, welche die Deutsche Bank auf den zweiten Rang verdr�ngte. Dem „Welt“-Jahresranking „Deutschlands Gro�e 500“ zufolge stieg der Nettoumsatz der gr��ten bundesdeutschen Konzerne um 5,8 %. Spitzenreiter ist DaimerChrysler mit einem Jahresumsatz von 142,1 Milliarden Euro, gefolgt von Volkswagen mit 89 Milliarden Euro, Siemens mit 75,2 Milliarden Euro und der Deutschen Telekom mit 57,9 Milliarden Euro. In punkto erwirtschafteten Reingewinns f�hrt die Telekom mit 4,9 Milliarden Euro, danach kommen Eon mit 4,3 Milliarden Euro und Vodafone mit 3,9 Milliarden Euro. Die Gro�konzerne haben sich demnach von ihrer Wachstumsflaute der Jahre 2002 (0,6 %) und 2003 (0,5 %) erholt. Auf dem Arbeitsmarkt macht sich das allerdings nicht bemerkbar, bei 5,8 % Umsatzwachstum stieg die Zahl der Besch�ftigten nur um 0,5 %.
�
Die Zahl der offiziell registrierten Arbeitslosen in der BRD ist im Juni auf 4,704 Millionen gesunken. Gegen�ber dem Mai 2005 ging die Erwerbslosenzahl um 103.000 zur�ck – der st�rkste R�ckgang seit 5 Jahren. Allerdings sind noch immer 471.000 Arbeitslose mehr registriert als im Vorjahresmonat. Au�erdem fehlen in den N�rnberger Statistiken weiterhin 78.000 von den Optionskommunen betreute Erwerbslose. Von einer Trendwende zu sprechen, w�re geradezu absurd: Trotz Ausbildungspakt ging die Zahl der gemeldeten Lehrstellen gegen�ber dem Vorjahr um knapp 10 % zur�ck. Die Zahl der Bewerber sank nur um 1,4 %. Dadurch erh�hte sich die Lehrstellenl�cke zwischen angebotenen Ausbildungspl�tzen und Bewerbern auf 183.500. Viele Erwerbslose landen in Ma�nahmen und in Billgjobs – es gab im Juni 2005 333.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitspl�tze weniger als im Vergleichsmonat des Jahres 2004. Die Zahl der Ein-Euro-Jobs ist derweil auf 240.000 gestiegen. Deutlich verschlechtert hat sich die Situation auf dem Lehrstellenmarkt. Mit Billigjobs ist den Betroffenen wenig geholfen, wie die Lohnentwicklung zeigt. Im 1. Quartal 2005 stiegen laut Statistischem Bundesamt die tariflichen Monatsl�hne und Geh�lter gegen�ber dem Vorjahreszeitraum um 1,4 %. Demgegen�ber nahmen Verbraucherpreise um 1,7 % zu – die Lohnentwicklung bleibt also weiterhin hinter der Preissteigerung zur�ck. Im Klartext: Die Reall�hne sind weiter r�ckl�ufig. Noch mehr versch�rft wird diese Tendenz durch eine im Gespr�ch befindliche Erh�hung der Mehrwertsteuer auf 18 %: Diese w�rde die Steigerung der Verbraucherpreise um 0,9 % erh�hen, was beispielsweise f�r den Juni 2005 einer Zunahme von 2,8 % entsprechen w�rde.
�
Bereits seit der Vorwoche toben in Afghanistan heftige Gefechte zwischen Taliban-Verb�nden und US-Besatzungstruppen. Der Schwerpunkt der Kampfhandlungen zwischen den aus der Luft unterst�tzten US-Verb�nden und afghanischen Regierungstruppen auf der einen und Taliban-K�mpfern auf der anderen Seite lag in den Provinzen Zabul und Helmand. Bei Operationen im Raum Kandahar nahmen die Rebellen einige Dutzend Polizisten und Regierungsbeamte gefangen, 8 von ihnen wurden bereits hingerichtet. Insgesamt kamen bei den Gefechten seit Jahresbeginn ca. 400 Taliban und 30 Amerikaner ums Leben. Zu einem Desaster f�r die USA kam es in der Taliban-Hochburg Kunar. Hier sollten Bodentruppen und Angeh�rige der Eliteeinheit Navy-SEALs Taliban-Positionen nahe der Provinzhauptstadt Asadabad ausheben. Trafen die Amerikaner schon auf dem Boden auf heftige Gegenwehr, so gelang es der Verteidigung sogar, einem Gro�raumhubschrauber vom Typ Chinook abzuschie�en. Die Bilanz f�r die Amerikaner bel�uft sich auf 16 Tote, darunter wohl eine komplette Gruppe SEALs. Das Kommando sollte offenbar nach �berlebenden einer weiteren SEAL-Einheit suchen, die in der Region von den Taliban aufgerieben wurde (Verluste mindestens 4 Mann sowie 7 exekutierte einheimische Helfer). Bereits im April verloren die Besatzer 18 Soldaten, als ein Chinook in einen Sandsturm geriet und abst�tzte. Noch im Winter vergangenen Jahres bezeichneten die Amerikaner die Taliban-Verb�nde als fast vollst�ndig aufgerieben – offenbar eine krasse Fehleinsch�tzung. Seit der Invasion Afghanistans durch Amerikaner, Briten und Bundeswehr im Oktober 2001 starben nach offiziellen Angaben 149 US-Soldaten, davon 54 seit Jahresbeginn. Im nordafghanischen Rustak ereignete sich bei der R�umung des Waffenlagers eines Bandenf�hrers eine schwere Explosion. Bei der Verladung des Kriegsmaterials explodierten zwei bereit stehende Lastkraftwagen, wobei zwei Bundeswehrsoldaten und 6 afghanische Hilfskr�fte den Tod fanden. Die offizielle Version lautet auf einen Unfall, w�hrend afghanische Quellen durchaus eine ferngez�ndete Bombe f�r m�glich halten. Damit sind seit Beginn der Intervention im Jahre 2001 16 Bundeswehrsoldaten am Hindukusch umgekommen.
�
Das Amtsgericht Darmstadt hat die bisherige Praxis von T-Online, die IP-Adressen von Flatrate-Kunden 80 Tage lang zu speichern, f�r illegal erkl�rt. Anhand der IP-Adresse kann T-Online nachtr�glich Surfer identifizieren - etwa bei Ermittlungen gegen Dateitauscher. Sp�testens als T-Online im Januar 2002 erstmals Tauschb�rsennutzer per Post verwarnte, war klar, dass das Unternehmen die IP-Adressen seiner Flatrate-Kunden speichert. Wie sonst h�tte der Provider herausfinden k�nnen, welcher Kunde zu einem bestimmten Zeitpunkt den Film „Shrek" in einer Tauschb�rse angeboten hat? Die Filmindustrie hatte die IP-Adresse des Surfers protokolliert und T-Online um Unterst�tzung in dem Fall gebeten. Seitdem wissen Flatrate-Kunden, dass sie nicht wirklich anonym im Netz unterwegs sind. Die IP-Adresse, unter der sie Daten versenden und empfangen, enth�lt zwar keinerlei Informationen �ber sie - au�er der, dass sie aus dem Adressbereich von T-Online stammt. Doch der Provider kann aus der Adresse und dem Zeitpunkt ihrer Verwendung zuordnen, wer die jeweilige IP genutzt hat. �ber die Speicherung der IP-Daten hatten sich immer wieder Kunden beschwert. T-Online brauche die Daten ja gar nicht zu Abrechnungszwecken, argumentierten sie, denn bei einer Flatrate sei es egal, wann genau jemand mit welcher Adresse im Netz unterwegs sei. Die Speicherung versto�e somit gegen deutsche Datenschutzvorschriften. Die f�r T-Online zust�ndige Datenschutzaufsicht, das Darmst�dter Regierungspr�sidium, segnete die Speicherung im Januar 2003 nachtr�glich ab. Die IP-Nummer sei f�r die Fehlersicherheit der Datenverarbeitung und den Nachweis der Leistungserbringung erforderlich, argumentierte die Beh�rde. Sie ist nicht gerade f�r eine besonders strenge Auslegung der Datenschutzvorschriften bekannt. Erst vor wenigen Monaten hatte das Darmst�dter Regierungspr�sidium das umstrittene Verfahren zum Verkauf der Tickets f�r die Fu�ball-WM 2006 f�r zul�ssig erkl�rt. Interessenten mussten Namen, Anschrift, Geburtsdatum, Ausweis- und Kreditkartennummer offenbaren, um Karten bestellen zu k�nnen. Das AG Darmstadt hat die Speicherung von IP-Adressen durch T-Online jetzt f�r unzul�ssig erkl�rt. Geklagt hatte der 32-j�hrige Holger Voss aus M�nster. Er sah die Speicherung der dynamischen IP-Adressen als unzul�ssige �berwachung an, die er nicht l�nger hinnehmen wollte. Voss war nach einer satirischen Forums�u�erung verklagt worden, seine Identit�t wurde �ber die benutzte T-Online-IP-Nummer ermittelt. In dem folgenden Prozess wurde er freigesprochen. Voss beschloss jedoch, gegen T-Online vorzugehen. Das Darmst�dter Gericht folgte der Argumentation von T-Online nicht, dass die Speicherung der IP-Adressen f�r den technischen Betrieb sowie f�r Abrechnungszwecke erforderlich ist. Voss hatte darauf verwiesen, dass andere Internetanbieter auch ohne Speicherung dieser Daten arbeiten und abrechnen k�nnen. Das Gericht stufte die praktizierte Vorratsdatenspeicherung, bei der unabh�ngig von einem konkreten Anlass pauschal die Adressen aller Kunden und Kundinnen gespeichert werden, als nicht zul�ssig ein. Die schriftliche Urteilsbegr�ndung steht noch aus. T-Online d�rfte das Urteil kaum schmecken - ebenso nicht den Ermittlungsbeh�rden. F�r den Datenschutz ist das Urteil ohne Zweifel ein Erfolg. Bleibt abzuwarten, ob es tats�chlich Bestand haben wird. T-Online d�rfte mit gro�er Wahrscheinlichkeit in die n�chste Instanz ziehen. Und falls das Unternehmen auch dort verliert, k�nnte der Bundestag ja immer noch die Gesetze anpassen, so dass die Speicherung f�r zul�ssig erkl�rt wird.
�
Die gegenw�rtige Trockenheit im Mittelmeerraum k�nnte nur ein erster Vorgeschmack auf k�nftige Sommer sein. Sollten die durchschnittlichen Temperaturen in dieser Region nur um zwei Grad Celsius steigen, w�rde aus dem Urlaubsparadies eine reichlich ungem�tliche Gegend. Zu diesem Ergebnis kommt der WWF in einem Report, der im Vorfeld des anstehenden G8-Gipfels vorgestellt wurde. In dem Szenario werden die m�glichen Folgen des Klimawandels im Mittelmeer skizziert. Ein Temperaturanstieg von wenigen Grad h�tte bereits gravierende Auswirkungen: Die Menschen m�ssten sich auf Hitzewellen von mehr als sechs Wochen einstellen, in denen die Durchschnittstemperaturen �ber 35 Grad klettern. Die Gluthitze w�rde zu noch weniger Regen und zu Ernteausf�llen von bis zu 40 % f�hren. Hinzu k�men Waldbr�nde und ein chronischer Wassermangel, worunter der Tourismus massiv zu leiden h�tte. „Damit die einmaligen Naturlandschaften des Mittelmeeres nicht unter der sengenden Sonne verdorren, muss der Klimaschutz weltweit intensiviert werden", betonte Dr. Peter Prokosch, Gesch�ftsf�hrer des WWF Deutschland. Bundeskanzler Gerhard Schr�der k�nne hierzu einen wichtigen Beitrag leisten, indem er n�chste Woche beim G8-Gipfel in Schottland eine starke Position vertrete. Die Bush-Administration versuche, das Problem nach wie vor zu ignorieren. „Jetzt sind die Europ�er gefordert: Schr�der, Chirac und Blair m�ssen daf�r eintreten, dass der Gipfel ein konkretes Klimaschutzziel vorgibt", so Prokosch. Der WWF Report zeige, dass schon ein globaler Temperaturanstieg von zwei Grad zu viel sei. Lange k�nne man sich eine z�gerliche Klimaschutzpolitik nicht leisten. Vom G8-Gipfel m�sse ein deutliches Signal ausgehen, dass die Industriestaaten alles tun werden, um den Anstieg der Durchschnittstemperaturen auf unterhalb von zwei Grad zu begrenzen. Eine st�rkere Erw�rmung h�tte gravierende Folgen. Der neue WWF-Report verdeutlicht, dass die klimatischen Ver�nderungen im Mittelmeerraum drastische wirtschaftliche Einbu�en nach sich ziehen w�rden. Betroffen w�re neben der Landwirtschaft vor allem die Tourismusbranche. Sie m�sste sich auf schmerzhafte Einbu�en einstellen. Die Region ist nach wie erste Wahl, wenn es um die Wahl des Urlaubsortes geht. Rund 30 % der Touristen weltweit verbringen ihren Urlaub in den Anrainerl�ndern des Mittelmeeres. Angesichts infernalischer Temperaturen und der Gefahr jederzeit von einem Waldbrand �berrascht zu werden, d�rfte vielen von ihnen die Lust auf ihren Strandurlaub vergehen.
�
Gladio reloaded: In Italien sind zwei hochrangige Polizeifunktion�re unter dem Verdacht festgenommen worden, eine Parallelpolizei gegr�ndet zu haben. Die beiden Festgenommenen gaben sich als Leiter der „Abteilung f�r strategische Anti-Terror-Studien (DSSA)" zu erkennen, einer illegalen Struktur, die im M�rz 2004 nach den Terroranschl�gen in Madrid gegr�ndet worden war und gezielt islamische Einrichtungen und Einwanderer �berwacht. Die beiden Polizeifunktion�re werden von der Staatsanwaltschaft von Genua der Dokumentenf�lschung sowie der Gr�ndung einer illegalen Organisation zur widerrechtlichen Aneignung �ffentlicher �mter beschuldigt. Beide sind Aktivisten der rechtsextremen Szene und Mitglieder des „Nuovo Movimento Sociale - Destra Nazionale" (Nuovo MSI). In die Aff�re verwickelt ist Parteigr�nder Dr. Gaetano Sava, der als mutma�licher DSSA-Chef nunmehr unter Hausarrest steht. Sava lernte sein Handwerk als Agent des italienischen Geheimdienstes SISDE und eben bei der angeblich aufgel�sten NATO-Geheimorganisation Gladio. Insgesamt wird gegen 24 Beschuldigte wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass die „parallele" Polizeistruktur versucht hat, falsche Anti-Terror-Dossiers an die CIA sowie an die israelischen Geheimdienste zu verkaufen, um Finanzierungen zu erhalten. Wohnungen von zirka 30 Personen mit Verbindungen zur Organisation wurden in verschiedenen italienischen Regionen durchsucht. Die DSSA wurde w�hrend der Ermittlungen anl�sslich des Todes des im Irak erschossenen italienischen S�ldners Fabrizio Quattrocchi entdeckt. Quattrocchi wurde offenbar von der illegalen Polizei- und Nachrichtendiensteinheit rekrutiert und in den Irak geschickt. Der Untergrundstruktur geh�ren bis zu 150 Milit�rs, Polizeibeamte, Carabineri und Grenzpolizisten an, darunter Personen, die in den 90ern mit dem aufgel�sten CIA-nahen Netzwerk Gladio in Verbindung standen. Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft zufolge reichen die Kontakte der DSSA bis in hohe Ebenen des italienischen Innenministeriums. Der Fall Quattrocchi hat jedoch noch eine andere Dimension, �ber die wir bereits Mitte April 2004 berichteten und die darauf hinweist, dass geheimdienstlich-polizeiliche „stay behind“-Netzwerke westlicher Nachrichtendienste auch in der BRD weiterhin aktiv sind: „Mindestens Quattrocchi wurde durch die International Bodyguard and Security Services Association IBSSA, ein Personen- und Firmennetzwerk f�r S�ldnereins�tze und Sicherheitsaufgaben, vermittelt. Die Rekrutierungsaktivit�t erfolgt im Auftrag von Sicherheits- und Kriegsunternehmern und wird von �rtlichen „Vermittlern“ besorgt. Beispielsweise wurde Quattrocchi von einem ehemaligen Fremdenlegion�r angeheuert. IBSSA-Personal w�tete im Auftrag westlicher Regierungen und S�ldnerfirmen unter anderem in Afghanistan und in diversen schwarzafrikanischen B�rgerkriegen, ferner war es auf dem Balkan im Einsatz. F�r vermittelte „Sicherheitsleute“ springen monatlich 4-6000 Euro pro Kopf heraus. Das erforderliche Know-How wird in paramilit�rischen Lehrg�ngen vermittelt, sofern nicht ohnehin schon vorhanden. Generaldirektor der Organisation war �ber lange Jahre hinweg der bundesdeutsche Staatsangeh�rige Dr. Fritz Wendland, welcher mittlerweile im Executive Committee sitzt. Hier arbeitet er mit solch illustren Personen wie dem Diktator Gambias, Oberst Jammeh, zusammen. Wendland scheint mit dem gleichnamigen Pr�sidenten der World Karate Confederation identisch zu sein. Die mit Hauptquartier in Budapest angesiedelte IBSSA erfreut sich bester internationaler Beziehungen, unter anderem zum Malteser-Orden und zum FBI. Obwohl die Anwerbung von S�ldnern sowie die Abhaltung paramilit�rischer Wehrsportlager nach BRD-Recht verboten sind, werden die Umtriebe der IBSSA toleriert; im Oktober richtet sie gar einen Weltkongress gegen Kriminalit�t und Terrorismus in Berlin aus.“
�
Die Aufnahme der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ als rechtsextremistisches Blatt in den nordrhein-westf�lischen Verfassungsschutzbericht verletzt die Pressefreiheit, wie das Bundesverfassungsgericht nunmehr urteilte. Karlsruhe entsprach damit der Klage der konservativen Zeitung gegen die Aufnahme in die NRW-Verfassungsschutzberichte der Jahre 1994 und 1995 und verwies den Fall an das Verwaltungsgericht D�sseldorf zur�ck. Der NRW-Verfassungsschutz zeigte sich gleichwohl von der Rechtsm��igkeit seines Vorgehens �berzeugt und erkl�rte, die Beh�rde sehe der erneuten gerichtlichen Pr�fung zuversichtlich entgegen. Die Karlsruher Richter hoben mit ihrer Entscheidung gegenteilige Gerichtsentscheidungen auf. Der Verfassungsschutz in D�sseldorf hatte in den bisherigen Verfahren mit Erfolg geltend gemacht, die Berichte in der „Jungen Freiheit“ enthielten Anhaltspunkte f�r den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Die Karlsruher Richter entschieden nun, dass die Nennung im Verfassungsschutzbericht das Grundrecht der Pressefreiheit ber�hre. Die Richter begr�ndeten dies damit, dass potenzielle Leser davon abgehalten werden k�nnten, die Zeitung zu erwerben. Es sei zudem nicht unwahrscheinlich, dass etwa Inserenten oder Journalisten die Erw�hnung im Verfassungsschutzbericht zum Anlass nehmen, sich von der Zeitung abzuwenden oder sie zu boykottieren. F�r den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung reicht nach Ansicht der Verfassungsrichter zudem die blo�e Kritik an Verfassungswerten nicht aus. Die Meinungs- und Pressefreiheit lasse auch eine kritische Auseinandersetzung mit Verfassungsgrunds�tzen zu.
�
In Nordirland kochen die Emotionen angesichts der marching season weiter hoch. Eine Polizeistation in North Belfast wurde mit Brands�tzen und Farbbeuteln angegriffen, rund 100 katholische Jugendliche lieferten den Sicherheitskr�ften anschlie�end eine Stra�enschlacht. Zu Angriffen auf die Polizei kam es auch in West Belfast. Bei einer Razzia gegen dissidente Republikaner in Derry konnte ein selbstgebauter Raketenwerfer Mark 15 sichergestellt werden. In irischen Regierungskreisen und bei f�r gew�hnlich gut unterrichteten Insidern wird mittlerweile eine erneute Spaltung der Provisional IRA nicht ausgeschlossen, falls der Army Council sich zur Selbstaufl�sung und Entwaffnung der katholischen Untergrundarmee bereit erkl�ren sollte. Die Welle loyalistischer Gewalttaten fand ebenfalls neue H�hepunkte: In Castlereagh bedachte man die Wohnung einer 19j�hrigen Protestantin mit einer Brandbombe, weil man sie infolge ihres Nachnamens f�r eine Katholikin hielt. Die seit beinahe 10 Jahren schwelende Fehde zwischen der Ulster Volunteer Force und ihrer Abspaltung, der Loyalist Volunteer Force, eskalierte erneut. In East Belfast erschoss ein Pistolero der UVF auf offener Stra�e und am hellichten Tage den der LVF nahe stehenden Abbrucharbeiter Jameson Lockhart (25 Jahre). Schon im Vorfeld lieferten sich UVF und LVF in Carrickfergus eine heftige Auseinandersetzung mit 4 Verletzten, zudem reagierten LVF-Kommandos mit �bergriffen auf UVF-Mitglieder, als diese versuchten, der Konkurrenz geh�rende Gesch�fte in East und North Belfast zu schlie�en. Der Ermordete war bereits im November Ziel eines Attentats, und allgemein wird nun mit einer deutlichen Gegenaktion der LVF gerechnet. Als Reaktion auf den Anschlag versch�rften beide Gruppen ihre Sicherheitsvorkehrungen, bekannte F�hrungsaktivisten tauchten ab. Hintergrund der drohenden Fehde ist offenbar der Versuch der UVF, ihre Konkurrenzorganisation aus Belfast zu verdr�ngen. Zur gleichen Zeit konnte nur mit M�he eine offene Fehde zwischen den Brigaden North und South Belfast der Ulster Defence Association, der gr��ten loyalistischen Untergrundorganisation, verhindert werden. Alleine im Juni 2005 waren loyalistische Paramilit�rs f�r 14 Gewaltakte verantwortlich, die von punishment beatings bis hin zu Brandanschl�gen reichen.
�
US-Pr�sident Bush bekr�ftigte in seiner w�chentlichen Propagandaansprache an die amerikanische Bev�lkerung seine Siegeszuversicht im Irak-Konflikt. Das Pentagon ist da skeptisch, Verteidigungsminister Rumsfeld geht derzeit davon aus, dass die K�mpfe im Zweistromland noch bis zu 12 Jahre andauern werden. Im US-Senat tobte Bushs Parteifreund Chuck Hagel, die Regierung habe offenbar jeglichen Kontakt zur Realit�t verloren. Seit Beginn des Irak-Krieges sind nach offiziellen Angaben mehr als 1700 US-Soldaten gefallen, davon �ber die H�lfte innerhalb der letzten 12 Monate. Innerhalb des letzten Jahres kamen auch �ber 2060 Angeh�rige der irakischen Regierungstruppen und der Polizei ums Leben. Iraks Ministerpr�sident Jaafari verspr�ht ebenfalls Optimismus und geht davon aus, das Satellitenregime in Bagdad k�nne sich ab 2007/2008 alleine gegen die Rebellen halten. Presseberichten zufolge scheint es derzeit diskrete Verhandlungen zwischen Amerikanern, Briten und Vertretern einiger Guerrillagruppen zu geben, auch George Casey als US-Oberbefehlshaber im Irak �u�erte �ffentlich, dieser Konflikt k�nne nur politisch und nicht milit�risch gel�st werden. Der Oberbefehlshaber Nahost, General John Abizaid, wies allerdings darauf hin, dass man nicht mit islamistischen Terrorgruppen verhandele, sondern vor allem mit sunnitischen Fraktionen. In den 3 US-Konzentrationslagern Abu Ghraib, Camp Bucca und Camp Cropper ist die Zahl der Gefangenen innerhalb eines Jahres von 5000 auf 10.000 gestiegen. Innerhalb der vergangenen 12 Monate sind alleine bei Autobombenanschl�gen mindestens 2221 Menschen ums Leben gekommen. Prominentestes Opfer dieser Woche ist Dhari Ali al-Fajad, der Alterspr�sident der irakischen Nationalversammlung, der auf dem Weg zu einer Parlamentssitzung in die Luft gesprengt wurde.
�
Neben den regul�ren irakischen Armee- und Polizeikr�ften im Dienste der US-Besatzer sind unter der �gide von Expremier Ijad Allawi mehrere paramilit�rische Einheiten aufgebaut worden. Die wichtigsten dabei sind die Special Police Commandos (SPC), die stark an die rechten kolumbianischen Todesschwadronen erinnern. Pate beim Aufbau standen US-Berater, die in S�d- und Mittelamerika Erfahrungen im schmutzigen Krieg gegen Befreiungsbewegungen gesammelt hatten. Diese Milizen wurden schnell ber�chtigt f�r ihre Brutalit�t. Seit Aufstellung der Sonderpolizeieinheiten mussten zahlreiche Morde konstatiert werden – und ausgerechnet in den Gebieten, in denen die SPC operativ eingesetzt waren. Am deutlichsten wurde dies in der nordirakischen Stadt Mossul, wo die Todesschwadron seit Ende Oktober aktiv ist. Bei Razzien wurden dort Dutzende M�nner im waffenf�higen Alter gefangen genommen. Augenzeugen berichteten, wie diese gefesselt und mit verbundenen Augen abgef�hrt und nicht wieder gesehen wurden. In den darauf folgenden Wochen wurden in der Region mehr als 150 Leichen von M�nnern gefunden, die meisten durch Kopfschuss exekutiert. Die US-Truppen behaupteten in ihren Kommuniqu�s, es w�rde sich um Angeh�rige der irakischen Hilfstruppen handeln. Doch trugen alle Opfer zivile Kleidung, und sie waren schwer zu identifizieren. �hnliche Vorf�lle wurden aus der Gegend um Samarra sowie aus den Orten Suwayra, Mardaen und Al Kaim kurz nach Beginn der US-„Operation Blitz“ gemeldet. In Bagdad f�hrte eine Welle von Morden mittlerweile zu konkreten Anklagen gegen die neuen irakischen Sicherheitskr�fte, insbesondere die SPC. Anfang Mai war in der irakischen Hauptstadt ein Massengrab mit 14 Toten gefunden worden. In diesem Fall konnten Familien die Opfer identifizieren. Allesamt waren sie Bauern, die bei einer Razzia auf einem Gem�semarkt verhaftet worden waren.
�
Der seit Sp�tsommer vergangenen Jahres wieder aufgeflammte Guerrillakrieg in den kurdischen Landesteilen der T�rkei gewinnt immer mehr an Heftigkeit. In der s�dostanatolischen Provinz Bing�l konnten die kurdischen Volksverteidigungskr�fte HPG den Regierungstruppen eine Schlappe beibringen, insgesamt fielen 22 Soldaten. In der kurdischen Metropole Diyarbakir lieferten sich Teilnehmer eines Trauerzuges f�r einen gefallenen Guerrillak�mpfer eine Stra�enschlacht mit Spezialeinheiten der Polizei. Bereits in der Vorwoche er�ffneten Milit�rpolizisten in der Provinz Van das Feuer auf einen anderen Trauerzug, wobei ein Kurde erschossen wurde. Neben den HPG-Partisanen und dem politischen Fl�gel Kongra-Gel wird der Kampf mittlerweile auch von den Stadtguerrillas der „Kurdischen Freiheitsfalken“ gef�hrt, so wurden bei einem Bombenanschlag auf eine Fabrikanlage im mittelanatolischen Kocaeli 20 Menschen verletzt. Die Freiheitsfalken erkl�rten, sie w�rden solange milit�rische und wirtschaftliche Ziele angreifen, wie die Milit�roperationen gegen die Kurden andauerten. Eine weitere Front haben die Partisanen der Maoistisch-Kommunistischen Partei MKP er�ffnet. Allerdings gelang es der t�rkischen Armee, den Maoisten in der ostanatolischen Provinz Dersim-Ovacik einen schweren Schlag zu versetzen: Der von 50 Delegierten der MKP besuchte illegale Parteikongress wurde Ziel einer Gro�operation, und unter den 17 Toten befinden sich drei Mitglieder des Zentralkomitees. Ebenfalls im Kampf gegen den Staat steht weiterhin die Revolution�re Volksbefreiungspartei-Front DHKP-C. Ihr Aktivist Eyup Beyaz wurde von der Polizei erschossen, als er versuchte, einen Selbstmordanschlag auf das Justizministerium in Ankara zu ver�ben.
�
In das B�rgerkriegs- und Folterland T�rkei werden nach wie vor kurdische Nationalisten abgeschoben. Ein Paradebeispiel ist der im vergangenen November verhaftete PKK-Funktion�r Taylan Sarig�l. Der Kurde wurde am 16. Juni vom OLG Koblenz wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu zwei Jahren Haft verurteilt. Nach Urteilsverk�ndung landete Sarig�l auf Betreiben der Generalbundesanwaltschaft und der Ausl�nderbeh�rde im Abschiebeknast von Ingelheim. Um die Abschiebung in die T�rkei und damit in h�chste Lebensgefahr zu verhindern, stellte Sarig�ls Anwalt einen Asylantrag, das Folgeverfahren l�uft noch. Taylan Sarig�l befindet sich seit dem 17. Juni im Hungerstreik. Der Rechtshilfefonds f�r Kurdinnen und Kurden in Deutschland, AZADI, bef�rchtet, dass Sarig�l im Falle seiner Abschiebung in die T�rkei Verhaftung und Folter drohen. Aufgrund des Strafnachrichtenaustauschs zwischen der BRD und der T�rkei seien die t�rkischen Beh�rden �ber die Verurteilung des Kurden informiert. Dass trotz aller oberfl�chlichen Reformen in der T�rkei die Gefahr der Folter real ist, belegt ein vom Menschenrechtsverein IHD in Ankara aus Anlass des Internationalen Solidarit�tstages mit Folteropfern am 26. Juni ver�ffentlichter Bericht. Demnach sind 843 F�lle von Folter und Misshandlung im vergangenen Jahr bekannt geworden. 2005 stieg ihre Zahl insbesondere in den kurdischen Landesteilen stark an. So wei� der IHD allein f�r die ersten drei Monate des Jahres 2005 von 448 F�llen von Folter, Misshandlung und Erniedrigung zu berichten. Die BRD-Beh�rden arbeiten dennoch bereitwillig mit der T�rkei zusammen. 1996 wurde der Kurde Ahmet Karakus, auch er ein PKK-Aktivist, mitsamt seiner neunk�pfigen Familie in die T�rkei abgeschoben. Da der Bundesgrenzschutz bei der Abschiebung gleich auch in der Wohnung der Familie entdeckte Unterlagen an die t�rkischen Kollegen weiterreichte, wurde Karakus postwendend zum Staatssicherheitsgericht Izmir zu 3 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt. Infolge barbarischer Folterungen und unbeschreiblicher Haftbedingungen verlie� er das Gef�ngnis nach 2 Jahren als gesundheitliches Wrack. Die Abschiebekosten nach Izmir soll Karakus jetzt auch noch begleichen: Rund 4400 Euro, davon entfallen 4039,93 Euro f�r die Begleitung durch zwei BGS-Beamte.
�
In der „jungen Welt“ befasste sich Werner Seppmann mit der wachsenden Entzivilisierung des Kapitalismus: „Kapitalismuskritik, die lange tabuisiert war, ist wieder im Gespr�ch. Aber die starken Worte, die in gro�en Teilen der �ffentlichkeit bereitwillig aufgenommen wurden, erreichen nirgends den Kern des Problems – und lassen es noch nicht einmal erahnen. Selbst die �konomischen Fehlentwicklungen, die M�nteferings unmittelbares Thema waren, wurden nicht zum sozialdestruktiven Charakter der kapitalistischen Reproduktionsdynamik und ihrem immanenten Zwang zur unabl�ssigen Kapitalanh�ufung in Beziehung gesetzt. Ebenso wurde sorgf�ltig vermieden, die sozialen Polarisierungen, die Ausgrenzungs- und Verarmungsprozesse gedanklich zu den elementaren Gesetzen der kapitalistischen Vergesellschaftungsweise zu vermitteln. Diese �Kapitalismuskritik� gibt sich noch nicht einmal die M�he zu verbergen, dass sie als �Ouvert�re� zu einem �neuen� Reformismus gedacht ist. Alles Kritikw�rdige der aktuellen Krisenentwicklung, einschlie�lich der Unterwerfung menschlicher Lebensinteressen unter das Kalk�l kurzfristiger Profitmaximierung, wird als �Abweichung� von einem im Prinzip akzeptablen und verteidigungswerten Organisationssystem des menschlichen Stoffwechsels mit der Natur betrachtet. In gewisser Weise korrespondiert M�nteferings Intervention mit einem Auffassungsstrang innerhalb der Bewegung der Globalisierungskritiker, der – wesentliche Punkte der eigenen Erkenntnisbasis dabei ignorierend – eine sozial vertr�gliche und �kologisch �nachhaltige� Gestaltung der kapitalistischen �Moderne� grunds�tzlich f�r m�glich h�lt. Solche Einsch�tzungen erweisen sich aber den zugespitzten Problemlagen als immer weniger angemessen. Denn die gegenw�rtige Krise hat eine Dynamik soziokultureller Selbstzerst�rung in Gang gesetzt, die durch partielle Ma�nahmen kaum noch gestoppt werden kann: Durch die kapitalistische Organisationsform der Gesellschaft wird schleichend das zivilisatorische Fundament menschlichen Zusammenlebens ausgeh�hlt. Einige Aspekte dieser Tendenz soziokultureller Selbstzerst�rung sind besonders auff�llig: Durch die strukturellen Bedingungen in �konomie und Gesellschaft kann individueller Nutzen immer �fter nur noch auf Kosten der anderen erreicht werden: Die Konzentration auf unmittelbare Profitgesichtspunkte f�hrt zur Vernachl�ssigung vieler langfristiger Aspekte. Rationale Absichten schlagen aufgrund der herrschenden Strukturen des Wirtschaftslebens regelm��ig in soziale Irrationalit�t um: Nach kapitalistischen �Effizienzkriterien� ist es �sinnvoll�, �bersch�ssige Arbeitskraftverk�ufer und -verk�uferinnen auszugrenzen, ohne sich Gedanken �ber die daraus resultierenden sozialen Desorganisationserscheinungen zu machen. Die Universalisierung der Gewalt und der Zerfall schon erreichter kultureller Standards pr�gen das kapitalistisch dominierte Weltsystem: Milit�risch flankierte Hegemonialstrategien finden ihre Entsprechung auch in der Aggressionseskalation im Inneren der �entwickelten� Gesellschaften. Die kapitalistische Form der Produktivkraftentwicklung ist mit einer Wohlstandsreduktion f�r breite Bev�lkerungsschichten verbunden: Trotz gesellschaftlicher Reichtumsmehrung breiten sich Armut und Bed�rftigkeit sowohl global als auch innerhalb der Metropolengesellschaften aus. Sinnvolle Arbeit, auf der die soziale Reproduktion und die individuelle Identit�tsbildung gleicherma�en beruhen, wird einem immer gr��eren Teil der Bev�lkerung verweigert: Sie werden dadurch aus elementaren gesellschaftlichen Zusammenh�ngen ausgegrenzt. Den Menschen wird offen ins Gesicht gesagt, dass sie nicht nur �konomisch nicht mehr gebraucht werden, sondern nach den geltenden Spielregeln auch sozial unn�tz geworden sind. Die ��berfl�ssigen� werden zunehmend ins soziale Abseits und die Zonen der Bed�rftigkeit abgedr�ngt. Die Bereitschaft des herrschenden Blocks, aktiv die soziale Spaltung zu betreiben, hat einen handfesten Hintergrund: Die Zahl der f�r die Mehrwerterzeugung noch ben�tigten Menschen hat rapide abgenommen und wird weiter abnehmen. Es gibt plausible Sch�tzungen, dass in einem �berschaubaren Zeitraum nur noch f�r 20 Prozent der erwerbsf�higen Bev�lkerung gen�gend Arbeitspl�tze vorhanden sein werden. In ihren Konsequenzen ist die Arbeitslosigkeit ein Gewaltakt, ein Angriff auf die Integrit�t der arbeitenden Menschen. Sie werden nicht nur gedem�tigt, sondern durch die Entwertung wesentlicher Orientierungsmuster auch einer innerpsychischen Konfliktsituation ausgesetzt, der sie in einem Klima zugespitzter Konkurrenz und sozialer Widerspr�che kaum mehr gewachsen sind. Denn in seinem Drang zur Optimierung der Verwertungsbedingungen hat das Kapital Sozialzusammenh�nge zerrissen und die Menschen ausbeutungskonform instrumentalisiert: Gef�hle der Verl�sslichkeit vermittelnde und die Menschen psychisch stabilisierende Lebenskontexte sind im Fegefeuer der �Deregulierung� und �Flexibilisierung� verschlissen, traditionelle Solidarit�tsformen durch den Druck der Arbeits- und Lebensverh�ltnisse im Risikokapitalismus zerst�rt worden. �Der kapitalistische Modernisierungsprozess�, schreibt der Sozialpsychologe G�tz Eisenberg, �zehrt neben den nat�rlichen Ressourcen auch jene Traditionsbest�nde auf, auf deren wie immer gebrochene und �berformte Fortexistenz er angewiesen ist: identit�tsstiftende Zusammenh�nge, Familie, Moral und all die Tugenden der ›kleinen Leute‹, die den sozialen Kitt der Gesellschaft bilden.� Ein angsteinfl��ender Krisen- und Ver�nderungsdruck ist der Hebel, um die Lebensverh�ltnisse und mit ihnen auch das F�hlen und Denken der Menschen den Erfordernissen einer radikalisierten Verwertungs�konomie anzugleichen. Die Institutionalisierung der Unsicherheit garantiert die universelle Verf�gbarkeit �ber den �ganzen Menschen�, erm�glicht es, ihn vollst�ndig in den Selbstverwertungskreislauf des Kapitals zu integrieren. Ihre widerspr�chliche Lebenssituation intellektuell zu verarbeiten, ist den Menschen im Risikokapitalismus durch die strukturelle �Un�bersichtlichkeit� der Sozialverh�ltnisse kaum noch m�glich, zumal ihnen durch den Zerfall der Klassenmilieus realit�tsad�quate Orientierungsmuster abhanden gekommen sind. Soziale Bedrohungserlebnisse und Ausgrenzungserfahrungen finden deshalb innerhalb zersplitterter Sozialverh�ltnisse ihre Entsprechung in Ohnmachtsgef�hlen und Angstsyndromen, die zur weiteren Besch�digung psychischer Widerstands- und Stabilit�tspotentiale f�hren. Wer nicht ins soziale Abseits gedr�ngt ist, wird durch die Funktionsprinzipien eines �flexibilisierten� Kapitalismus zur Ausbildung fragmentarischer �Identit�ten� gezwungen. Die Menschen m�ssen wendig und bedenkenlos sein, wenn sie an den sich oft widersprechenden Anspr�chen nicht scheitern wollen; sie m�ssen moralisch �disponibel� und �belastbar� sein, wenn sie ihr Leben innerhalb �deregulierter� Sozialverh�ltnisse meistern wollen. Als positiv verstandene Eigenschaften hat der franz�sische Philosoph Jean-Fran�ois Lyotard, Galionsfigur eines �postmodernen Denkens�, die subjektiven Anforderungen f�r eine �zeitgem��e� Existenz spezifiziert: �Geschmeidigkeit, Toleranz und ›Wendigkeit‹ï¿½. Dass solche Eigenschaften des �postmodernen Menschen�, seine �flie�enden Identit�ten� und seine �biegsame Psyche� (von denen auch gesprochen wird) exakt dem Anforderungsprofil einer neoliberalen �konomie entsprechen, kommt dieser pseudokritischen Modephilosophie nicht in den Sinn. Gefordert sind jedoch nicht nur Flexibilit�t und Beweglichkeit als Subjekteigenschaft, sondern auch die R�cksichtslosigkeit als soziale Handlungsmaxime. Lebenspraktische �berzeugungskraft besitzt ein neuer kategorischer Imperativ: �Handle so, dass deine Interessen ohne R�cksicht auf die Konsequenzen sich durchsetzen k�nnen! � Jedoch wird den Menschen nicht nur eine konfliktbereite Einstellung zu ihrem sozialen Umfeld abgefordert, sondern auch ein zwanghaftes Verh�ltnis zu sich selbst. Ein US-amerikanischer Bankmanager spricht in diesem Sinne von einem �fortgeschrittenen Kapitalismus, dessen raues und brutales Klima den Beteiligten eine strikte Disziplin� auferlegt. Gemeint ist ein Zwang zur Selbstverwertung, zur Auspr�gung einer kapitalistisch instrumentalisierten Individualit�t und einer konkurrenzgesellschaftlich geformten Pers�nlichkeitsstruktur. Wer nicht unterliegen will, muss best�ndig sein Bestes zu geben versuchen; es darf keinen Stillstand geben, weil die soziale Existenz nur durch das Vorw�rtsstreben gesichert werden kann. Die Alltagssubjekte sind durch den herrschenden Anpassungsdruck und den sich oft widersprechenden Anforderungsprofilen in ihrer Identit�tsstruktur ebenso gespalten und fragmentarisiert wie die Sozialverh�ltnisse, die sie umgeben. Verl�ssliche Orientierungspunkte als Voraussetzung selbstbestimmter Lebensgestaltung stehen ihnen kaum mehr zur Verf�gung. Deshalb wirken sie als getriebene und von den objektiven Zw�ngen beherrschte; sie sehen sich immer �fter mit sozialen Bedrohungssituationen (Arbeitsplatz- und Existenzunsicherheit) konfrontiert, auf die sie nur mit Resignation und verzweifelter Wut zu reagieren verm�gen: In ihrer Hilflosigkeit sind gro�e Bev�lkerungsteile auch f�r irrationalistische Weltbildfragmente, autorit�re Interpretationsmuster und rassistische Wahnvorstellungen anf�llig, weil sie eine tr�gerische Orientierungssicherheit und psychische Entlastung in einer als undurchsichtig und bedrohlich erlebten Welt versprechen. Die kapitalistisch dominierte Lebenspraxis befindet sich mit ihren Dem�tigungen und Bedrohungen im Widerspruch zu den Selbstverpflichtungen einer b�rgerlichen Gesellschaft, die einmal das allgemeine Wohlergehen und die Vern�nftigkeit der sozialen Verh�ltnisse auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Sie produziert statt dessen soziale Widerspr�che und eine technokratische Rationalit�t mit einer kaum zu b�ndigen Destruktionstendenz. Durch die Radikalisierung der Profitstrategien hat sich ein Konfrontationsklima verallgemeinert, herrscht ein so hoher Handlungsdruck, dass weder auf die individuelle Leistungsf�higkeit noch auf soziale Gesichtspunkte R�cksicht genommen wird. Egoistischer Durchsetzungselan ist zur Normalit�t geworden. Mit sichtbarem Stolz berichtet ein Manager des Medienkonzerns Bertelsmann der Presse �ber sein Verhalten bei der Sanierung eines �bernommenen Konkurrenten durch Arbeitsplatzabbau: Ich �habe nach dem Motto geschossen: Selbst wenn es einen Unschuldigen trifft, ist es auch nicht schade. Denn es musste sich was bewegen. � Individuelle und soziale R�cksichtnahmen gelten als nicht mehr zeitgem��. Die Unternehmen steigern best�ndig ihre Rentabilit�t, wer aber �ber 50 ist, wird aus dem Berufsleben entfernt. Das Merkmal der Lebensverh�ltnisse im globalisierten Kapitalismus ist die Unerbittlichkeit des Lebenskampfes, der unbedingte Leistungswille und das r�cksichtslose Vorw�rtsstreben, die Konsequenz die Verdr�ngung und Ausschlie�ung der Schwachen und �berz�hligen. Die das Wirtschaftsleben pr�genden Verdr�ngungs- und Ausgrenzungsstrategien dominieren das soziale Klima auch in den privaten Lebensbereichen. Sie bilden den N�hrboden f�r kollektive und individuelle Gewaltformen, f�r eine kaum noch einzud�mmende �Kultur des Hasses� (Hobsbawm), die nicht nur an Umfang und Intensit�t zugenommen haben, sondern in nicht wenigen gesellschaftlichen Segmenten zur �Selbstverst�ndlichkeit� geworden ist. Durch einen universalisierten Existenz- und Bew�hrungsdruck entwickelt sich eine feindliche Haltung gegen�ber den Mitmenschen, weil sie als �Gegensatz� zu den eigenen Lebensinteressen erlebt werden. In einer Situation hoher Besch�ftigungslosigkeit wird jeder als Konkurrent um die knappen Arbeitspl�tze empfunden und durch die entgrenzten Leistungserwartungen jede R�cksichtnahme als Erfolgshindernis wahrgenommen. Das Ergebnis ist eine Verrohung der Verhaltensweisen und ein Zerfall soziokultureller Standards. Kapitalistische Konkurrenz und Krisendruck, verinnerlichtes Erfolgsstreben und Selbstunterdr�ckung, institutionalisierte Ausgrenzung und soziokulturelle �Pathologien� bilden ein dichtes Geflecht von Ursachen und Wirkungen. Deshalb ist der aggressive Jugendliche, der auf seinen Mitsch�ler einschl�gt, obwohl dieser l�ngst am Boden liegt, nur das Spiegelbild jener �erfolgreichen� Manager, die Extrapr�mien kassieren, weil sie besonders viele Arbeitspl�tze vernichtet haben. �Wie saurer Regen sickern der Zynismus und die Amoral der gro�en Beutej�ger von der Spitze der (gesellschaftlichen) Pyramide zur mittleren Ebene durch. � (J. Ziegler). Die zunehmende Verrohung der sozialen Verkehrsformen beschreibt das Alltagsbewusstsein mit den Begriffen �soziale K�lte� und �Ellenbogengesellschaft�. Selbst in den Kinderg�rten und den Grundschulen ist ein ungehemmtes Konkurrenzverhalten an der Tagesordnung, demonstrieren die Kinder, wie gut sie es schon gelernt haben, ihre �Ellbogen zu gebrauchen�. Schon ab der zweiten Klasse wird f�r die weiterf�hrenden Schulen sortiert, wird durch die Anforderungen der Schule und den Druck der Eltern der Zusammenhang von konkurrenzmotivierter Lernbereitschaft und pers�nlichen Fortkommen wahrgenommen. Die gravierenden �konomischen Widerspruchsformen stellen jedenfalls nur eine Seite der kapitalistischen Wirklichkeit dar. Eng mit der gesellschaftlichen Krisenentwicklung verbunden sind Formen individueller Bedr�ngnis, geistiger Gleichschaltung und sozialer Entfremdung. Die Konsequenzen einer solchen emotionalen Instrumentalisierung und Zurichtung der menschlichen Subjektivit�t haben bisher auch in den linken Diskussionen noch nicht die n�tige Beachtung gefunden haben: Weil der leistungsgesellschaftliche Konkurrenz- und Anpassungsdruck ein permanentes Widerspruchsprinzip zu den menschlichen Selbstentfaltungsbed�rfnissen darstellt, werden massenhaft psychische Defekte produziert und durch zwanghafte Formen der Selbstdisziplin emotionale Verw�stungen hervorgerufen. Wer das Tempo der �Leistungsgesellschaft� nicht mehr mithalten und dem psychischen Leidensdruck, der vor allem aus der Kombination von gesteigerten Anforderungen und dem Gef�hl latenter Unsicherheit resultiert, nicht mehr standhalten kann, fl�chtet – immer �fter auch um den Preis der Selbstzerst�rung – in legale und illegale Rauschmittel. Die Drogens�chtigen (deren Zahl in der Bundesrepublik bei gesch�tzten 150 000 liegt) sind nur der sichtbarste Ausdruck dieses Problemkomplexes. Viel deutlicher noch sind die Millionen Alkohol- und Tablettenabh�ngigen Spiegelbild des pathologischen Zustands einer Gesellschaft, in der trotz hoch entwickelter Kommunikationsm�glichkeiten die Menschen vereinsamen und sich verloren f�hlen. Viele Menschen leiden unter der sozialen Beziehungs- und R�cksichtslosigkeit, den unsicheren Zukunftsperspektiven und dem gravierenden Leistungsdruck: Sie sind ausgebrannt und empfinden trotz einer permanenten Anspannung ihr Leben als sinnlos; sie haben den Eindruck, Wesentliches in ihrem Leben zu verpassen, nicht selbst zu leben, sondern getrieben zu werden. Die Verh�ltnisse ver�ndern sich mit einer Geschwindigkeit der nur noch wenige folgen k�nnen. Der �flexible Mensch� ist entwurzelt (R. Sennet), denn soziale Bindungen stehen einer �konomischen Selbstverwertung und der geforderten allseitigen Verf�gung im Wege, die immer �fter grenzenlosen Zeiteinsatz und geographische Mobilit�t verlangt. Die herrschenden Vergesellschaftungsprinzipien erweisen sich den aktuellen Problemen als immer weniger angemessen und werden dennoch um den Preis einer zunehmenden Widerspruchsentwicklung k�nstlich am Leben gehalten. Die Unf�higkeit, angemessen auf die existentiellen Probleme zu reagieren, ist Ausdruck eines fatalen Zirkels von Entfremdung und Selbstentfremdung, der in den entwickelten Kapitalgesellschaften Herrscher und Beherrschte vereint: Weil der Existenzkampf alle intellektuelle und psychische Kraft absorbiert, kann soziokulturelle Gestaltungskompetenz sich nicht mehr im ben�tigten Umfang entwickeln. Es entsteht ein normatives und emotionales Vakuum, weil immer mehr intellektuelle und psychische Energie aktiviert werden muss, um die elementaren Widerspr�che nicht wahrnehmen zu m�ssen oder sie zu verharmlosen. Innere und �u�ere Bedrohungsszenarien werden �kultiviert�, um von der gesellschaftlichen Widerspruchsentwicklung ablenken zu k�nnen. Was fr�her die �Bedrohung aus dem Osten war�, ist heute der �islamische Terrorismus�, den die imperialistische Politik selbst gen�hrt hat und zu dessen �Bek�mpfung� der Weg einer autorit�ren Formierung vieler gesellschaftlichen Bereiche beschritten wird: Der �Ausnahmezustand� wird schleichend zur Normalit�t. Eine Ahnung davon, dass jede substantielle Probleml�sungsstrategie in der Systemfrage m�ndet, festigt nicht nur innerhalb des herrschenden Blocks die Unf�higkeit, �ber das Tagesgesch�ft hinaus zu denken und perspektivische Orientierungen zu entwickeln. Fehlende Zukunftsorientierung und die Unf�higkeit zu allgemeinvertr�glicher politischer Gestaltung erg�nzen sich. Weil Ver�nderungsperspektiven tabuisiert sind, k�nnen gesellschaftliche Aufl�sungstendenzen ihre eigene Dynamik entfalten und sich zu einer zivilisatorischen Fundamentalkrise verdichten. Denn wird der m�gliche und notwendige Wandel verschleppt, potenzieren sich die Probleme und wird die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit destabilisiert: Probleme des zivilisatorischen Zerfalls r�cken dann in das Zentrum des gesellschaftlichen Geschehens.“
�
Lagefeststellung - Beurteilung der Situation - M�glichkeiten des Handelns - Entschluss - Umsetzung - Kontrolle
�
�